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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Hartz-IV-Debatte

Bielefeld (ots)

Für seine Äußerungen in der Hartz-IV-Debatte ist
Guido Westerwelle am Wochenende wahlweise »Marktschreier« 
(Erwerbslosenforum Deutschland), »Esel« (Heiner Geißler), 
»Politrowdy« (Renate Künast) und »Brandstifter« (Klaus Ernst) genannt
worden. Die nordrhein-westfälische SPD-Spitzenfrau Hannelore Kraft 
sieht ihn gar »mit billigen Stammtischparolen im braunen Sumpf 
fischen« und vergreift sich damit mindestens so im Ton wie der 
FDP-Vorsitzende selbst.
 Für Westerwelles Auftreten gibt es viele Gründe. Noch immer tut er 
sich schwer mit seinem neuen politischen Ich. Ein veritabler 
schwarz-gelber Fehlstart und der Absturz der Liberalen in den 
Umfragewerten tun ihr Übriges. Der Eifer, mit dem der FDP-Chef den 
Streit anheizt, ist so aber nicht zu erklären. Westerwelle will 
verhindern, dass die Debatte auf eine möglichst großzügige Erhöhung 
der Regelsätze verengt wird. So sendete er einen Ordnungsruf, der 
über den Rang einer Binsenweisheit nicht hinausgereicht hätte, wäre 
da nicht der bewusst unangemessene Tonfall gewesen: Alle Leistungen, 
die der Staat erbringt, müssen von seinen Bürger erwirtschaftet 
werden.
 Das aber scheint zuletzt in Vergessenheit geraten zu sein. In der 
Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise ist ein Staatsverständnis auf 
dem Vormarsch, nach dem allen wohl- und keinem wehgetan wird. Frei 
nach dem Motto: »Der Staat soll in allen Lagen helfen, aber mir 
persönlich möglichst wenig wegnehmen.« Doch so richtig es war, dass 
die Staaten in ungeheurem Ausmaß in die Märkte eingegriffen haben, um
den Kollaps zu verhindern, so richtig ist, dass die Zeche für diese 
Politik noch zu zahlen ist.
Ganz und gar nicht grundlos haben die Märkte in den vergangenen zwei 
Jahren viel von ihrer Anziehungskraft verloren. Exzesse von Gier und 
Maßlosigkeit haben den Glauben an die Funktionsfähigkeit der 
Marktwirtschaft nachhaltig beschädigt. Jedoch ist auch die neue 
Staatsgläubigkeit tückisch, die quer durch alle gesellschaftlichen 
Schichten und politischen Parteien sichtbar wird.
 Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer. Er muss die Märkte 
regulieren, kann sie aber nicht ersetzen. Er kann Marktrisiken 
dämpfen, aber nicht außer Kraft setzen. Der Staat muss den Rahmen für
den Erfolg des Einzelnen gewährleisten, versprechen kann er ihn nicht
- jedenfalls nicht aus eigener Kraft. Tut er es doch, nimmt er bloß 
seine Bürger in die Pflicht.
 Wer also einen umfassenderen Sozialstaat will, muss mehr Geld 
ausgeben. Das wird letztlich zu höheren Steuern führen, was auf die 
wenigsten Beschäftigten motivierend wirken dürfte. Trotzdem bleibt es
bei der Frustration derjenigen, die mit Arbeit kaum mehr in der 
Tasche haben als ohne. Im Gegenteil: Ihre Zahl wird sogar noch 
wachsen. Schließlich steigt auch das Risiko von Nachteilen im 
internationalen Wettbewerb, der auf deutsche Interessen nur begrenzt 
Rücksicht nimmt.
Diese Ehrlichkeit braucht jede Diskussion über soziale Gerechtigkeit 
und die Leistungsfähigkeit des Sozialstaates im 21. Jahrhundert - 
andernfalls nützt auch der höflichste Ton nichts.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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