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dpa-Faktencheck

Doktorarbeit über OP-Masken von 2004 verneint Atemnot und Sauerstoffmangel

Berlin (ots)

Bundesweit müssen die Menschen in Geschäften sowie in Bussen und Bahnen wegen des Coronavirus Mund und Nase bedecken. Kritiker der Masken bezeichnen das als Unsinn, zum Teil halten sie den Mundschutz für gefährlich. Häufig beziehen sie sich in ihrer Argumentation auf eine rund 15 Jahre alte Doktorarbeit von der Technischen Universität München. Demnach atme man angeblich schon unter einfachen OP-Masken viel zu viel Kohlendioxid (CO2) aus dem eigenen Atem wieder ein, daher komme es zu schnellerer Atmung oder zu Unregelmäßigkeiten beim Herzschlag (http://dpaq.de/EQUPI).

BEWERTUNG: Richtig ist, dass die Testpersonen einen etwas erhöhten CO2-Gehalt im Blut hatten, jedoch zeigten sich weder ein unregelmäßiger Herzschlag noch eine beschleunigte Atmung. Das bestätigte aktuell die Autorin der Arbeit.

FAKTEN: Die Dissertation, um die es geht, trägt den Titel "Rückatmung von Kohlendioxid bei Verwendung von Operationsmasken als hygienischer Mundschutz an medizinischem Fachpersonal" (http://dpaq.de/v49jx). Sie wurde 2004 von Ulrike Butz an der TU München eingereicht. Für ihre Versuche hatte die Medizinerin zwei Arten von handelsüblichen und seinerzeit in Krankenhäusern verwendeten OP-Masken genutzt.

Die Ergebnisse der Doktorarbeit allerdings sind andere, als sie gern von Mundschutz-Kritikern verbreitet werden. Diese behaupten zum Beispiel unter Verweis auf die Forschungsarbeit, dass Testpersonen bereits nach etwa 30 Minuten Symptome für Sauerstoffmangel gezeigt hätten - darunter Konzentrationsschwäche, Störungen in der Feinmotorik, unregelmäßiger Herzschlag oder beschleunigtes Atmen (http://dpaq.de/uPt4t).

Diese vermeintlichen Erkenntnisse sind aber gar nicht in der Dissertation zu finden, sogar das Gegenteil ist der Fall. Es heißt explizit über die Testpersonen, die eine OP-Maske trugen: "Eine kompensatorische Erhöhung der Atemfrequenz oder ein Abfall der Sauerstoffsättigung wurde dabei nicht nachgewiesen." (S. 43) Auch beim Herzschlag gab es keine signifikante Erhöhung oder Verringerung (S. 31).

Was die Tests allerdings tatsächlich gezeigt haben: eine Erhöhung von Kohlendioxid im Blut der Versuchspersonen. "Das ausgeatmete CO2 konnte nur teilweise durch die OP-Masken entweichen, dadurch kam es unter den Masken zu einer Akkumulation von CO2", heißt es in der Arbeit. "Dieser Effekt führte zu dem Ergebnis, dass die Probanden Luft einatmeten, deren CO2-Gehalt höher war als derjenige, der umgebenden Raumluft." (S. 35) Nachdem die Maske entfernt wurde, fielen die Werte wiederum rasch auf den Ausgangswert ab (S. 32).

Die Deutsche Presse-Agentur sprach am 4. Mai 2020 mit der Autorin der Dissertation. Die heutige Unfallchirurgin Ulrike Butz sagte der dpa: "Man kann aus der Arbeit keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen ableiten. Das wäre unseriös." Sie verwies auf das Ergebnis der Doktorarbeit, nach dem sie schon damals weitere Studien auf diesem Gebiet forderte, um die Auswirkungen von OP-Masken auf den menschlichen Körper zu erforschen. "Mir geht es darum, dass man diese wissenschaftlichen Daten nicht in falsche Zusammenhänge setzt", so Butz.

Um die aktuell geltende Maskenpflicht einzuhalten, braucht es allerdings gar keine OP-Masken. Schon einfache Stofflagen über Mund und Nase reichen aus. Dass ein selbstgenähter Mundschutz zu einem erhöhten CO2-Anteil im Blut des Trägers oder der Trägerin führen könne, wurde bereits von mehreren Ärzten widerlegt. Demnach ist CO2 ein Gas, das nicht im Stoff hängen bleibt. Mit jedem Atemzug komme wieder ausreichend frische, sauerstoffreiche Luft in die Lungen, sagt zum Beispiel der Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Jakob Maske (http://dpaq.de/ONjX7).

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Links:

Dissertation "Rückatmung von Kohlendioxid bei Verwendung von Operationsmasken als hygienischer Mundschutz an medizinischem Fachpersonal" (München 2005): https://mediatum.ub.tum.de/doc/602557/602557.pdf (archiviert: http://dpaq.de/6zqBe)

dpa-Faktencheck "Mediziner: Ausatmen unterm Mundschutz nicht gefährlich" (23.4.2020): https://www.presseportal.de/pm/133833/4579011

Facebook-Post mit Behauptung über Masken: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=687287682075839&set=a.181083042696308 (archiviert: http://dpaq.de/QsA4w)

Artikel über OP-Masken-Dissertation: https://www.metropolnews.info/mp457845/mundschutzmasken-unbedingt-waschen-wechseln-und-nur-sehr-kurz-tragen (archviert: http://dpaq.de/HlYu0)

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Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com

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