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Live-Experiment mit App zur ersten Kanzler-Debatte: Baerbock und Scholz profitieren deutlich stärker als Laschet

Live-Experiment mit App zur ersten Kanzler-Debatte: Baerbock und Scholz profitieren deutlich stärker als Laschet
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Landau, 6. September 2021

Live-Experiment mit App zur ersten Kanzler-Debatte: Baerbock und Scholz profitieren deutlich stärker als Laschet

Die Universität Koblenz-Landau, das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und die Technische Universität Kaiserslautern haben im Rahmen eines Live-Experiments Wahrnehmung und Wirkungder ersten TV-Debatte 2021 („Triell“) zwischen den Kanzlerkandidaten Armin Laschet (CDU), Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) untersucht. Die Hauptergebnisse des Live-Experiments mitrund 110 Teilnehmerinnen und Teilnehmern: Olaf Scholz und Annalena Baerbock profitieren deutlich mehr als Armin Laschet von der Debatte. Zudem hat die Debatte einen erheblichen Einfluss auf Kanzlerpräferenz und Wahlabsicht.

Insgesamt haben 112 Personen an der nicht repräsentativen Studie teilgenommen. Die Studien-Partner hatten über die sozialen Medien sowie internen E-Mail-Verteiler zur Teilnahme eingeladen. Für das Experiment haben die Partner eigens eine App entwickelt. Über diese konnten die Kandidaten während der Debatte von zu Hause mit ihrem Smartphone permanent und in Echtzeit den politischen Schlagabtausch bewerten. Mithilfe von Fragebögen konnten sie ihre zusammenfassenden Meinungen vor und nach dem Duell abgeben. Die App wird auch bei den TV-Debatten am 12.9.2021 und 19.9.2021 eingesetzt. Für diese beiden Studien werden noch Teilnehmer gesucht. Nähere Infos zur Teilnahme gibt es unter fernsehdebatte.uni-landau.de.

„Unsere Ergebnisse können aus drei Gründen von Befragungsdaten abweichen, die bisher zum ersten TV-Triell veröffentlicht wurden“, erklärt Jürgen Maier, Politikprofessor am Campus Landau der Universität Koblenz-Landau. Erstens handelt es sich bei der Untersuchung um ein experimentelles Design. Wesentlicher Bestandteil der Untersuchung ist, dass die Befragungsdaten direkt vor und direkt nach der Debatte erhoben wurden. Durch den Vergleich der vor und nach der Debatte erhobenen Befragungsdaten lassen sich direkte, von interpersonaler und massenmedialer Kommunikation weitgehend unbeeinflusste Debattenwirkungen nachweisen. Zweitens die gesammelten Daten sind nicht repräsentativ. Drittens ist die Teilnehmerzahl geringer als bei anderen Befragungen. „Dennoch sind die Daten aussagekräftig, da davon auszugehen ist, dass die in unserer Studie beobachteten Prozesse der Wahrnehmung, Verarbeitung und Bewertung der Debatte und der teilnehmenden Kandidaten so auch bei anderen Zuschauern stattfinden“, erklärt Maier.

Debattensieger und Debattenleistung

Ein Drittel der Teilnehmer (33%) haben Annalena Baerbock als Debattensiegerin gesehen. Olaf Scholz rangiert auf Platz 2; ihn sahen knapp ein Viertel der Befragten (24%) als Gewinner. Laschet wurde nur von 13% der Teilnehmer als Sieger benannt. Fast ein Drittel der Befragten (30%) konnte keinen Sieger erkennen.

Das Experiment zeigt, dass die Studienteilnehmer die Debatte in erheblichem Maße von ihren parteipolitischen Grundüberzeugungen beeinflusst erlebten. So sahen Anhänger konservativer Parteien Laschet deutlich stärker als seine Konkurrenten, während die Kandidaten Baerbock und Scholz in den Einschätzungen von Teilnehmern aus dem linken Lager deutlich besser abgeschnitten haben. „Deshalb lohnt sich ein Blick auf Personen, die keiner Partei nahestehen“, unterstreicht Maier. Auch diese sahen Baerbock vor Scholz und Laschet und somit als Debattensiegerin.

Die in den Fragebögen vor und nach der Debatte erfassten Eindrücke korrespondieren mit den in Echtzeit über die App abgegeben Bewertungen der Kandidaten. Hier zeigen sich viele Passagen, in denen Laschet an Zustimmung verloren hat. Besonders stark ist der Einbruch bei seinem Schlussstatement. Baerbock und Scholz konnten hingegen die Zuschauer wesentlich häufiger von ihren Argumenten überzeugen (vgl. Abbildung 1). Baerbock gelang dies vor allem bei den Themen Innere Sicherheit, Angleichung von Ost-West-Unterschieden, Koalitionsoptionen und Afghanistan. Scholz war in den Augen der Teilnehmer der Gewinner bei den Themenblöcken Gendersensible Sprache, Steuerpolitik, Klimawandel und Corona-Politik. Von allen Kandidaten gelang ihm nach Ansicht der Studienteilnehmer auch die Schlussansprache am besten.

„Eine weitere Erklärung für das schlechte Abschneiden Laschets könnte die von ihm gewählte Debattenstrategie sein“, so Maier. Die Studienteilnehmer nahmen seinen Auftritt als relativ aggressiv wahr. Gleichzeitig verdeutlichte er seltener als die beiden anderen Kandidaten, wie seine zukünftige Politik aussehen soll. Zudem wurde Laschet als derjenige Kandidat gesehen, der sich am häufigsten verteidigen musste (vgl. Abbildung 2).

Wirkung der TV-Debatte

Das Triell hat einen starken unmittelbaren Einfluss auf politische Einstellungen von Verhaltensabsichten, so ein weiteres Ergebnis des Live-Experiments. Mehr als ein Fünftel der Teilnehmer (21%) haben aufgrund der Debatte ihre Kanzlerpräferenz – also ihre Entscheidung, welchen Kandidaten sie wählen würden, wenn sie den Bundeskanzler direkt nach dem TV-Duell wählen könnten – korrigiert. Ebenso hoch (21%) ist der Anteil derjenigen, die ihre Wahlabsicht – also die Entscheidung, welche Partei sie bei der Bundestagswahl wählen möchten – angepasst haben. Vor allem der Anteil der Unentschiedenen ist im Zuge der Debatte deutlich gesunken. „Die Fernsehdebatte ist also eine wichtige Entscheidungshilfe für Wähler“, fasst Maier zusammen.

Zur Methode

Die Untersuchung wurde von der Universität Koblenz-Landau, dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und der Technischen Universität Kaiserslautern durchgeführt. Ziel der Studie ist es, die Wahrnehmungsprozesse und die Urteilsbildung von Wählern insbesondere während des Wahlkampfes zu erforschen. Die Studie schließt an die Untersuchungen zu den TV-Duellen 2002, 2005, 2009, 2013 und 2017 an, die an der Universität Koblenz-Landau durchgeführt wurden.

Die Stichprobe ist eine Gelegenheitsstichprobe, die durch Werbung auf E-Mail-Verteilern und in den sozialen Medien für die Teilnahme an der Studie rekrutiert wurde. 62% der Teilnehmer sind männlich. Der Altersdurchschnitt der Teilnehmer beträgt 32 Jahre (Minimum 18, Maximum 77). 95% der Teilnehmer verfügen über (Fach-)Abitur. 18% haben eine Parteiidentifikation mit der CDU/CSU, 10% mit der SPD, 14% mit der FDP, 6% mit den Linken, 15% mit Bündnis 90/Die Grünen und 2% mit einer anderen Partei. 30% haben keine Parteibindung.

Alle Daten wurden mit der eigens für die TV-Debatten entwickelte App „real smart“ erhoben. Diese basiert auf Softwaretechnologien der coneno GmbH, einem DFKI Spin-Off, das Systeme zur Durchführung von dynamischen, partizipativen Studien entwickelt. Die App läuft auf Android und iOS und ist kostenlos in den jeweiligen App-Stores verfügbar. Während der Debatte haben die Teilnehmer die Gelegenheit, die Kandidaten permanent auf mit Hilfe eines stufenlosen Schiebereglers, der von -3 bis +3 läuft, zu bewerten. Die Bewertungen werden sekundengenau erfasst. Mögliche Zeitverschiebungen in den Bewertungen werden synchronisiert. Reliabilität und Validität der erhobenen Echtzeitdaten wurden in wissenschaftlichen Untersuchungen belegt.

Weitere Informationen zur Studie sind unter fernsehdebatte.uni-landau.de nachzulesen.

Kontakt

Universität Koblenz-Landau

Prof. Dr. Jürgen Maier

E-Mail: maierj@uni-landau.de

Deutsches Forschungszentrum für künstliche Intelligenz / Technische Universität Kaiserslautern

Prof. Dr. Paul Lukowicz

E-Mail: paul.lukowicz@dfki.de

Universität Koblenz-Landau
Campus Landau
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Kerstin Theilmann
Tel.: 06341 280-32219
E-Mail:  kerstin.theilmann@uni-landau.de
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