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UNHCR Deutschland

UNHCR zur EU-Asylverfahrensrichtlinie

Berlin (ots)

Das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) befürchtet,
die gestern erzielte Einigung der EU-Innen- und Justizminister in
Luxemburg über ein Kernstück der geplanten EU-Asylgesetzgebung könne
in der Praxis gegen internationales Flüchtlingsrecht verstoßen.
Der ursprünglich von der EU-Kommission vorgelegte Entwurf der
Asylverfahrensrichtlinie war von UNHCR als gute Diskussionsgrundlage
begrüßt worden. Der lange Verhandlungsprozess zwischen den
EU-Mitgliedstaaten hat nun jedoch zu einer Verständigung geführt, die
es den einzelnen Staaten erlaubt, die jeweils schlechtesten Praktiken
fortzusetzen oder einzuführen.
UNHCR ist enttäuscht, dass die EU-Staaten sich nicht an ihr
Versprechen gehalten haben, das sie zu Beginn des
Harmonisierungsprozesses im finnischen Tampere gegeben haben. Dort
bekräftigten sie "ihren absoluten Respekt vor dem Recht Asyl zu
suchen" und verpflichteten sich, ein gemeinsames Asylsystem auf der
vollständigen und allumfassenden Anwendung der Genfer
Flüchtlingskonvention aufzubauen.
Die Asylverfahrensrichtlinie regelt, wie Entscheidungen über
Asylanträge in EU-Mitgliedstaaten getroffen werden. Sie ist der
Letzte und mit der so genannten Qualifikationsrichtlinie wohl
Wichtigste der fünf wesentlichen Bausteine für die Harmonisierung des
EU-Asylrechts in der ersten Phase.
UNHCR hatte sich während des Verhandlungsprozesses wiederholt
besorgt über eine Reihe von Punkten geäußert. Die irische
Präsidentschaft und die Europäische Kommission haben versucht, einen
Text vorzulegen, der alle Seiten zufrieden stellen kann. Zwar gibt es
nun einige Verbesserungen gegenüber früheren Fassungen der
Richtlinie, dennoch bleiben erhebliche Defizite.
Besonderen Anlass zur Sorge bereiten die Regelungen zu den so
genannten sicheren Drittstaaten, in die Asylsuchende zurückgeschickt
werden können, sowie jene Vorschriften, die es Staaten ermöglichen,
abgelehnte Asylsuchende vor der abschließenden Entscheidung ihres
Verfahrens abzuschieben. Damit wird Schutzsuchenden praktisch das
Recht genommen, eine effektive Überprüfung einer zunächst negativen
Entscheidung zu erhalten.
Mit diesen Regelungen laufen Asylsuchende Gefahr, weder eine
individuelle Prüfung ihres Antrages zu erhalten noch eine effektive
Möglichkeit, die Vermutung zu widerlegen, dass ein Staat in ihrem
besonderen Fall nicht als sicher gelten kann. Den Betroffenen kann
nun überall in der EU die Aufnahme eines Asylverfahrens verweigert
werden, wenn sie durch einen so genannten "besonders sicheren
Drittstaat" eingereist sind.
UNHCR sieht die Regelungen zu den sicheren und besonders sicheren
Drittstaaten als potenziell gefährlich für Flüchtlinge an.
Flüchtlinge könnten im Zuge von Kettenabschiebungen wieder in ihrem
Heimatland landen. Dies wäre jedoch im direkten Gegensatz zu
internationalem Recht.
UNHCR betonte, ein ähnliches Risiko gebe es bei den
Einschränkungen zur Überprüfung eines Asylverfahrens. In einigen
EU-Staaten würden 30-60 Prozent aller Asylsuchenden erst nach einer
Überprüfung der zunächst negativen Entscheidung als Flüchtlinge
anerkannt.
Die Richtlinie ermöglicht zudem eine Reihe weiterer restriktiver
und äußerst umstrittener Maßnahmen, die rechtlich bislang nur in ein
oder zwei Mitgliedstaaten existierten. Ab dem 1. Mai könnten diese
Maßnahmen nun in die Gesetzgebung von 25 EU-Staaten einfließen.
Beispielsweise soll es ermöglicht werden, unbegleiteten
Minderjährigen über 16 Jahren die Vertretung durch einen Erwachsenen
im Asylverfahren zu versagen.
Ebenfalls am Donnerstag verabschiedeten die EU-Staaten formell die
Qualifikationsrichtlinie. Sie definiert, wer als Flüchtling anerkannt
werden kann und wem subsidiärer (ergänzender) Schutz zusteht. Der
subsidiäre Schutz erstreckt sich unter anderem auf Kriegs- und
Bürgerkriegsflüchtlinge, die keine individuelle Verfolgung geltend
machen können. Auf den Inhalt dieser Richtlinie hatten sich die
Minister bereits im März geeinigt.
UNHCR hat auch gegenüber diesem Text einige Vorbehalte - vor
allem, was die Regelungen über den subsidiären Schutz angeht. UNHCR
bedauert den sehr engen Geltungsbereich für Personen, die vor
bewaffneten Konflikten und allgemeiner Gewalt fliehen. Die
Organisation begrüßt jedoch die dort enthaltene
Flüchtlingsdefinition. Diese umfasst ausdrücklich auch jene Opfer von
Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, die in einigen europäischen
Staaten bislang nicht als Flüchtlinge anerkannt wurden.
UNHCR betonte, die nächste Phase der EU- Asylharmonisierung werde
von ausschlaggebender Bedeutung sein. Die Richtlinien legen nur
Mindestnormen fest. UNHCR rief alle 25 Mitgliedstaaten eindringlich
dazu auf, höhere Standards zu setzen, wenn sie beginnen, die
EU-Richtlinien in nationales Recht umzusetzen.

Pressekontakt:

Stefan Telöken
UNHCR Deutschland
Telefon: 030/20 22 02-26/10
Telefax: 030/20 22 02-23
Internet: www.unhcr.de

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