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Aachener Nachrichten: Schäbige Kampage - Claus Weselsky, die GDL und das Streikrecht; Ein Kommentar von Joachim Zinsen

Aachen (ots)

Langsam geht jedes Maß verloren. Man muss Claus Weselsky nicht lieben, kann den Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokführer ja durchaus kritisch sehen. Aber wie mit seiner Person derzeit in der Öffentlichkeit umgegangen wird, ist einfach skandalös. Das Magazin "Focus" zeigt Weselskys Haus. Die Bildzeitung veröffentlicht die Telefonnummer des Gewerkschafters und fordert ihre Leser auf, dem "Größen-Bahnsinnigen" die Meinung zu geigen. Das ist ein Aufruf zur Menschenjagd. Gut, von der "Bild" sind solche bösartigen Kampagnen immer zu erwarten. Doch selbst Teile der "seriösen" Medien beschreiben das CDU-Mitglied Weselsky inzwischen als einen machtbesessenen Psychopathen, als einen Egomanen, als einen Mann, der mit dem Ausstand der Lokomotivführer eine ganze Republik in Geiselhaft nimmt. Vermeintlich kluge Köpfe schimpfen über einen unpatriotischen Streik. Plötzlich stehen Gewerkschafter als vaterlandslose Gesellen da, nur weil sie zum Arbeitskampf aufrufen. Herrschaften, sind wir geistig bereits wieder im Kaiserreich angekommen? Weselsky und die Lokomotivführer nehmen ein zentrales Grundrecht wahr. Ein Streik ist aber nur dann ein Streik, wenn er wehtut, wenn damit wirtschaftlicher Druck auf den Arbeitgeber erzeugt wird. Alles andere ist Beschäftigungstherapie, ist Ringelpiez mit Anfassen. Im Falle des Arbeitskampfes bei der Bahn gehören natürlich deren Kunden zu den Hauptleidtragenden. Das liegt leider in der Natur der Sache und nervt viele. Aber vielleicht denkt der ein oder andere Empörte ja doch einmal daran: Auch sein Gehalt wäre (noch) deutlich niedriger, gäbe es nicht Gewerkschaften, die stark sind, kämpfen und notfalls zum Streik aufrufen. Um dem Streik der Lokomotivführer die Berechtigung abzusprechen, ist dessen Gegnern derzeit offenbar kein Argument zu blöde. Der GDL wird vorgeworfen, dass sie nicht nur für die im europäischen Vergleich miserabel bezahlten Lokführer einen höheren Lohn erstreiten wollen, sondern auch für Zugbegleiter und andere bei ihr organisierte Bahnangestellte. Das ist allein schon deshalb bemerkenswert, weil der GDL bei ihrem letzten Arbeitskampf 2008 genau das Gegenteil vorgehalten wurde. Damals hieß es, sie betreibe unsolidarische Rosinenpickerei, weil sie sich nur um die gut organisierten und an strategisch wichtigen Positionen sitzenden Lokführer kümmere. Wie passt das zusammen? Interessiert die Kritiker noch ihr Geschwätz von gestern? Natürlich vertritt die GDL abgesehen von den Lokführern nur eine Minderheit der Bahnangestellten. Doch für sie zu kämpfen, ist ihre Aufgabe. Die Spartengewerkschaft kann deshalb auch nicht Teile des Streikrechts aufgeben. Genau das aber macht die Bahn zur Bedingung, um mit der GDL überhaupt erst in Tarifverhandlungen einzusteigen. Die Arbeitgeber führen inzwischen ins Feld, in einem Betrieb dürfe es keine konkurrierenden Tarifverträge geben, weil man Personalarbeit aus einem Guss machen wolle. Die kleine GDL habe sich deshalb zugunsten der großen DGB-Gewerkschaft EVG zurückzunehmen. Das ist - mit Verlaub - ein freches, ein rotzfreches Argument. Denn gerade die Arbeitgeber waren es doch, die der Tarifeinheit schweren Schaden zugefügt haben. Wer hat denn in den vergangenen Jahren auf Teufel komm raus outgesourct? Wer hat im großen Stil auf Leiharbeit gesetzt? Wer hat dafür gesorgt, dass heute oft Arbeitnehmer nebeneinander sitzen, die die gleiche Tätigkeit zu völlig unterschiedlichen Tarifbedingungen leisten? Nein, so sinnvoll und wünschenswert eine Tarifeinheit wäre, sie ist von der Arbeitgeberseite dem Prinzip des allumfassenden Wettbewerbs geopfert worden. Jetzt darüber zu jammern, dass es diesen Wettbewerb auch unter Gewerkschaften gibt, ist scheinheilig. Weselsky und die GDL sind inzwischen medial zum Feindbild schlechthin aufgebaut worden. Sicherlich liegt das auch an einer glänzenden PR-Kampagne der Bahn und einer schlechten PR-Strategie der Spartengewerkschaft. Aber manche Kritiker müsen aufpassen, dass sie sich nicht ins eigene Fleisch schneiden. Zum Beispiel einige Gewerkschafter im DGB. Sie empfinden die GDL als Konkurrenz, wollen sie wegbeißen. Verständlich. Doch in ihrem Furor sollten sie eines nicht übersehen: Manchen, mit denen sie da plötzlich in einer Reihe stehen, geht es um mehr als nur um den Arbeitskampf der GDL. Nicht allein "Bild" und Konsorten wollen das Streikrecht generell zu einem zahnlosen Papiertiger machen.

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