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BERLINER MORGENPOST: Ratlosigkeit allerorten
Leitartikel von Jochim Stoltenberg

Berlin (ots)

Nichts Genaues weiß man nicht. Noch schlimmer: Die Situation rund um den künftigen Berliner Großflughafen wird immer verworrener. Und niemand in Sicht, der das unendliche Debakel beendet. Nun zeichnet sich ein weiterer Streit über die künftigen Flugrouten ab. Weil der atomare Forschungsreaktor am Helmholtz-Zentrum früher als erwartet 2020 stillgelegt wird, müssen auch die Menschen im Südosten Berlins, insbesondere die in Wannsee-Nähe, wieder mit vermehrtem Fluglärm rechnen. Davor hat sie bislang der Reaktor im Ortsteil Wannsee bewahrt. Beim "Stresstest" 2011 wurde über dem kein Flugzeugabsturz simuliert. Deshalb hatte das Oberverwaltungsgericht die Wannsee-Flugroute für unzulässig erklärt. Übrigens anders als die künftige Südost-Route über den Müggelsee. Gibt es den Reaktor nicht mehr, darf auch über den Wannsee vermehrt geflogen werden. Aber bis dahin vergehen ja noch sieben Jahre. Juristisch ist über die Flugkorridore ohnehin nicht endgültig entschieden. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung klagt gegen das Verbot der Wannsee-Route, die Anrainer des Müggelsees wehren sich vor dem nächsthöheren Gericht gegen die Flüge über ihren See, und die EU verlangt von der Bundesregierung, dem schärferen EU-Umweltrecht bei der Routen-Planung Geltung zu verschaffen. Die ganze Widersprüchlichkeit der verworrenen Lage wird noch dadurch offenbarer, dass bislang über den Reaktor geflogen werden darf. Eine unendliche Geschichte bleibt auch die Eröffnung des BER. Die Wochenzeitung "Die Zeit" meldet jetzt, dass die Brandschutzanlage erst im Oktober 2015 verlässlich funktionieren werde. Mithin der Flughafen auch frühestens dann eröffnet werden könne. Auch werde nur ein Teilumzug von Tegel zum BER erwogen, Tegel solle gar bis 2019 "Premiumstandort" bleiben. Letzteres würde eklatant gegen den Planfeststellungsbeschluss für den BER verstoßen. Dieser schreibt rechtswirksam vor, dass Tegel ein halbes Jahr nach Eröffnung des BER zu schließen ist. Weitere Klagen wären so sicher wie das Amen in der Kirche. Und woher eigentlich das Geld nehmen für einen Doppelbetrieb, da am BER schon jetzt nur die Kosten davonfliegen? Ratlosigkeit allerorten. Ratlos könnte bald auch Flughafenchef Mehdorn sein - trotz seiner markiger Sprüche. Er möchte den BER mit 2000 Passagieren und zwölf Flugzeugen Ende des Jahres "anfahren". Ein Dorfflugplatz ohne funktionierenden Brandschutz? Schwer vorstellbar, dass Mehdorn dies erlaubt wird. Ein längerer Betrieb Tegels ist für ihn auch kein Problem. Sogar dringlich, weil Berlin mehr als nur die zwei Start- und Landebahnen in Schönefeld brauche. Rechtliche Vorbehalte? Die hätte gefälligst die Politik auszuräumen, meint Mehdorn. Ein ziemlich selbstgerechter neuer Flughafenchef. Klar ist derzeit nur, dass der BER den Steuerzahler jeden Monat 34 Millionen Euro kostet. Das bleibt der eigentliche Skandal. Darüber muss man sich angesichts der Finanznot der Stadt empören. Mehr als über Flugrouten in ungewisser Zukunft.

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