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Börsen-Zeitung: Du bist die Deutsche Bank, Leitartikel von Bernd Wittkowski zur Jahrespressekonferenz der Deutschen Bank

Frankfurt (ots)

Nicht triumphierend, aber sichtlich stolz und
sein Selbstvertrauen nicht versteckend hat Josef Ackermann den
Jahresabschluss der Deutschen Bank zelebriert: 120 Minuten geballte
Erfolgsstory, souverän, hochprofessionell und zumindest für das
Fachpublikum überzeugend vorgetragen. Nicht unbedingt für die breite
Öffentlichkeit: Am Stammtisch ebenso wie am Rednerpult unserer
Volksvertreter werden Milliardengewinne im Regelfall als Obskurität
oder Unanständigkeit gehandelt. Dies umso mehr, wenn sie mit
sinkenden Beschäftigtenzahlen einhergehen. Da kommt der Gebrauch des
Wortes „Rekordgewinn“ einer Bezichtigung gleich.
Doch die Deutsche Bank ist lernfähig. Und so hatte Ackermann
diesmal auch ein paar Mittelchen zur Abkühlung der Volks- und
Politikerseele, die vor Jahresfrist angesichts der Formel
„Milliardengewinn plus Stellenabbau“ geradezu überkochte, im Gepäck:
Der blaue Geldkonzern schafft in Deutschland wieder neue Jobs. Er
bietet eine Menge Ausbildungsplätze an. Und überhaupt steht die
gesellschaftliche Verantwortung auch beim Branchenprimus hoch im Kurs
(nicht etwa allein im öffentlich-rechtlichen Lager); soziale
Engagements im Volumen von nahezu 90 Mill. Euro zeugen davon. Nicht
zuletzt: Alle betroffenen Anleger des offenen Immobilienfonds
Grundbesitz-Invest werden für mögliche Verluste entschädigt, nicht
nur jene, die erst seit kurzem investiert waren. Unabhängig davon,
dass Ackermann damit mal eben supercool die Marketingaktionen einiger
vorwitziger Sparkassen gekontert hat: Das alles sind gute
Nachrichten, die auch in der Breite als solche ankommen sollten.
Die an die Finanzmärkte adressierten Botschaften haben keine
mindere Qualität. Diesem Eindruck steht auch nicht die Tatsache
entgegen, dass an der Börse erst einmal Gewinne mitgenommen wurden –
eher im Gegenteil: „sell on good news“. Auf längere Sicht sind die
Investoren durchaus geneigt, die Performance der Bank zu honorieren:
Der Aktienkurs liegt aktuell rund 17% unter dem historischen Hoch aus
dem Jahr 2001. Dem Dax hingegen fehlen 30% an seiner Bestmarke.
„Bank of the Year“: Den jüngst zum zweiten Mal in drei Jahren
eingeheimsten „Oscar der Finanzbranche“ verdient die Deutsche auch
für das jetzt vorgelegte Zahlenwerk und für ihre schlüssige
strategische Aufstellung. Darauf sind der Vorstandsvorsitzende und
sein Team zu Recht stolz. Doch darüber hinaus legt Ackermann der
Öffentlichkeit und insbesondere den zahlreichen Kritikern des
Instituts die Frage ans Herz, ob es nicht angebracht wäre, wenn sie
mit Blick auf den einen oder anderen Erfolg der Bank ihrerseits ein
wenig Stolz empfänden (statt ständig an ihr herumzunörgeln).
Die Idee wird sich wohl nicht so schnell durchsetzen. Falsch ist
sie nicht. Es gibt im deutschen Kreditgewerbe eben nur noch diesen
einen Global Player, der in der Champions League mitspielen kann und
obendrein regelmäßig vordere Plätze belegt. Diese Mannschaft war im
Investment Banking bis zum Erwerb von Morgan Grenfell 1989 ein
absoluter Niemand und noch Jahre danach kein am Markt sonderlich
ernst genommener Wettbewerber. Heute ist der Konzernbereich Corporate
and Investment Bank nach Erträgen die weltweite Nummer 3 hinter
JPMorgan Chase und Citigroup. Dabei weiß die Bank, und ihr Vorstand
bekennt sich bei jeder Gelegenheit dazu, dass der imponierende
Aufstieg ohne die Stärke auf dem Heimatmarkt undenkbar gewesen wäre,
wiewohl dieser nicht einmal mehr 30% der Erträge beisteuert. Wer aber
im nationalen Vergleich derart dominiert, muss wohl damit leben,
nicht nur geliebt, sondern auch gehasst zu werden: das
Bayern-München-Phänomen.
Dass famose Leistungen im Inland allzu wenig wahrgenommen,
jedenfalls nicht hinreichend anerkannt werden, dass stattdessen den
für diese Leistungen Verantwortlichen ihre gewiss großzügig bemessene
Vergütung geneidet wird, ist indes nicht nur ein Problem der
Deutschen Bank. Negativismus, Neid, Verzagtheit, Mangel an
Eigeninitiative und Eigenverantwortung sind vielmehr Symptome der
deutschen Krankheit. „Du bist die Deutsche Bank“ hat Ackermann dem
Publikum zwar nicht wörtlich zugerufen, aber doch sinngemäß, und in
der Tat wäre es nicht schlecht, ließe sich das Land gelegentlich ein
wenig von der Aufbruchstimmung, der Initiative, dem Selbstvertrauen
und den Erfolgen inspirieren, für die die führende Adresse des
Finanzplatzes steht.
Das muss nicht heißen, dass bei der Deutschen Bank alles Gold ist,
was auf den ersten Blick glänzt. Zwar ist die Eigenkapitalrendite vor
Steuern nach sauberer Zieldefinition bei 25,7% und damit klar im
grünen Bereich gelandet. Aber für das Schlussquartal stehen nur noch
19% zu Buche, nachdem das Jahr mit 33% begonnen hatte – ein
Schönheitsfehler. Hier haben die Rückstellung für den Wertausgleich
zugunsten der Grundbesitz-Invest-Anleger und die Vorsorge für
rechtliche Risiken – Leo Kirch grüßt Rolf-Ernst Breuer – Spuren
hinterlassen. Demgegenüber erscheint die Kritik einzelner Analysten
an der Kostenentwicklung überzogen. Der Anstieg des Aufwands bleibt
deutlich hinter dem Ertragswachstum zurück, und die Cost-Income-
Ratio hat sich im Jahresvergleich spürbar verringert. Alles in allem:
eine klasse Leistung. Deutschland könnte mehr davon gebrauchen.
(Börsen-Zeitung, 3.2.2006)

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