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Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)

Deportation des tschetschenischen Volkes unter Stalin (23.2.): Geschichtsklitterung raubt dem Menschen das Gedenken

Deportation des tschetschenischen Volkes unter Stalin (23.2.):

- Präsident Kadyrow will das Gedenken manipulieren
- Gedenktag willkürlich verschoben, Denkmal verlegt und beschädigt
- Einsatz für Gerechtigkeit und Menschenrechte in Tschetschenien weiter 
  lebensgefährlich

Am 23. Februar 1944 deportierten Stalins Truppen rund 500.000 Menschen vom tschetschenischen und anderen Völkern aus dem Kaukasus. Mindestens ein Drittel von ihnen kam aufgrund von Hunger, Kälte, Krankheiten und Misshandlungen um. "Der tschetschenische Präsident Ramzan Kadyrow arbeitet seit Jahren daran, das Gedenken an die massenhafte Deportation des tschetschenischen Vokes unter Stalin zu manipulieren und die historischen Ereignisse zu verfälschen", mahnt Ulrich Delius, Direktor der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) anlässlich des Jahrestages. "Die Deportation und die Erinnerung daran gehören zur tschetschenischen Identität. Kadyrow hat kein Recht, den Menschen diese Erinnerung zu nehmen."

Den zentralen Gedenktag verlegte Kadyrow im Jahr 2011 willkürlich auf den 10. Mai, wohl wegen der Ermordung seines Vaters Akhmad Kadyrow am 9. Mai 2004 liegt. Am 9. Mai wird in Russland traditionell der Sieg über den Faschismus gefeiert. Daher konnte nicht gleichzeitig der Deportation gedacht werden. Im Jahr 2008 versuchte die Kadyrow-Regierung das Denkmal für die Deportierten in die Nähe einer ehemaligen Mülldeponie zu versetzen. Viele Menschen in Tschetschenien protestierten dagegen, das 1992 im Zentrum Grosnys errichtete Denkmal zu entfernen. Die Menschenrechtsaktivistin Natalija Estemirowa von der renommierten Organisation Memorial engagierte sich besonders gegen die Verlegung. Am 14. Juli 2009 wurde sie in Grosny entführt und am 15. Juli ermordet aufgefunden.

Wer in Tschetschenien für Menschenrechte eintritt, begebe sich immer noch in Gefahr, erklärt Delius. Vor nicht einmal drei Wochen, am 6. Februar 2020, wurde Jelena Milashina in Grosny geschlagen und getreten. Die Journalistin der Novaya Gazeta hatte 2017 die Tötung von 27 jungen Männern sowie die Verhaftung von über 100 Homosexuellen und den Mord an dreien von ihnen in ganz Europa bekannt gemacht. Sie war vor Ort, um den Prozess gegen einen Blogger zu beobachten.

Das Denkmal für die Deportation wurde 2014 "renoviert und restauriert". Dabei wurden viele der Grabsteine, aus denen es besteht, beschädigt oder ganz zerstört. Andere Teile wurden willkürlich an einen neuen Platz verlegt. Im September 2019 wurde noch ein neuer Ort für die Grabsteine bestimmt, in der Nähe eines neu zu erbauenden Einkaufszentrums. "Der Umgang mit den Grabsteinen, die den Nachkommen viel bedeuten, ist beschämend", so Delius. "Die Menschen in Tschetschenien haben das Recht, an das größte Verbrechen in ihrer Geschichte zu erinnern und die Toten zu ehren. Dass Kadyrow ihnen dieses Recht nehmen möchte, zeigt einmal mehr die Unmenschlichkeit seiner Herrschaft."

Ulrich Delius ist erreichbar unter u.delius@gfbv.de oder 0160/95671403.

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