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Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Erstmals genaue Daten zu dynamischen Molekülaggregaten in Zellen

Erstmals genaue Daten zu dynamischen Molekülaggregaten in Zellen
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Erstmals genaue Daten zu dynamischen Molekülaggregaten in Zellen

  • Mithilfe einer neu entwickelten Mikroskopiemethode konnten Forschende aus Freiburg und Cambridge erstmals kleine, dynamische Molekülaggregate in lebenden Zellen quantifizieren, die eine wichtige Rolle bei der Signalverarbeitung spielen
  • Spezielle Molekülansammlungen in Zellen, sogenannte Kondensate, regulieren lebenswichtige biochemische Prozesse. Aufgrund technischer Limitationen hat sich die Forschung bisher auf große Kondensate aus mehreren Tausend Molekülen beschränkt.
  • Wissenschaftler*innen der Universität Freiburg sowie der University of Cambridge/Großbritannien haben eine Analysemethode entwickelt, mit der sich auch kleine und dynamische Molekülaggregate quantifizieren lassen.
  • Die Ergebnisse zeigen, dass die Bildung von Kondensaten durch Signalprozesse reguliert wird.
  • Die Methode ermöglicht zum Beispiel die Erforschung der Rolle von Proteinaggregaten bei Erkrankungen wie Demenz, Alzheimer oder Huntington.

In Zellen laufen viele lebenswichtige Prozesse in membranlosen Molekülaggregaten ab. Solche Aggregate sorgen dafür, dass die beteiligten Moleküle in der richtigen Konzentration und Nähe zueinander vorliegen. Forschende des Exzellenzclusters CIBSS der Universität Freiburg und der University of Cambridge/Großbritannien konnten nun erstmals die Entstehung dieser sogenannten Kondensate in lebenden Zellen beobachten und analysieren. In der Fachzeitschrift Nature Communications beschreiben sie, dass nicht nur physikalische Prinzipien, sondern auch aktive Kontrollmechanismen deren Wachstum regulieren. Die Versuchsprotokolle und Analyseprogramme sind ab sofort kostenlos verfügbar und machen die Forschung an kleinen Aggregaten auch für weniger spezialisierte Labors möglich.

Wenn die Moleküle im Inneren einer Zelle zufällig verteilt wären, wäre sie nicht lebensfähig. Erst durch die Aufteilung in spezialisierte Bereiche können viele biochemische Prozesse aufeinander abgestimmt ablaufen. Zum Teil sind diese Kompartimente durch Membranen voneinander getrennt, eine Abgrenzung funktioniert aber auch ohne äußere Hülle. Gerade solche membranlosen Molekülaggregate, auch Kondensate genannt, erfüllen wichtige biologische Funktionen, weil ihre Größe und Anzahl besonders flexibel sind. Man geht davon aus, dass sie sich durch den physikalischen Prozess der sogenannten Flüssig-Flüssig-Phasentrennung bilden.

„Diese Kondensate sind ein wichtiger Steuerungsmechanismus in Zellen, denn sie können biochemische Prozesse je nach Bedarf beschleunigen oder verlangsamen,“ erklärt Prof. Dr. Thorsten Hugel. Er ist Mitglied des Exzellenzclusters CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies der Universität Freiburg und hat die aktuelle Studie gemeinsam mit Prof. Dr. Aleks Reinhardt von der University of Cambridge geleitet.

Kleinere Kondensate sind schwieriger zu untersuchen

Wie Kondensate der Zelle dabei helfen, biologische Signale und Umweltreize zu verarbeiten, sei noch viel zu wenig erforscht, sagt Hugel. „Man konzentriert sich in der Forschung meist auf große und statische Kondensate, weil die einfacher zu untersuchen sind. Aber diese großen Kondensate sind meist nur das Endstadium eines langen Prozesses. Viel interessanter sind kleine Kondensate, die dynamisch wachsen und zerfallen,“ erklärt er. Das Problem: Sie bestehen aus relativ wenigen Molekülen und sind sogar für hochauflösende Mikroskopiemethoden zu klein und schnell, um sie in lebenden Zellen zu untersuchen.

Neue Methode umgeht technische Limitationen

In der aktuellen Studie haben die Forschenden aus Freiburg und Cambridge jetzt einen Weg beschrieben, wie sich diese technischen Limitationen umgehen lassen. Dafür nutzten sie konventionelle hochauflösende Fluoreszenzmikroskopie mit einem schrägen Laser, sogenannte HILO-Mikroskopie, und kombinierten sie mit einem speziellen experimentellen Vorgehen und KI-gestützten Analysemethoden.

Wachstum nicht allein durch physikalische Prozesse erklärbar

Die so gemachten Messungen in lebenden Zellen verglichen die Forschenden mit theoretischen Annahmen zur Bildung von Kondensaten. „Die Ergebnisse haben uns überrascht,“ sagt Reinhardt, der an der Fakultät für Chemie an der University of Cambridge forscht. „Bei den Kondensaten, die wir im Rahmen dieser Studie untersucht haben, folgt das anfängliche Wachstum noch physikalischen Modellen. Das würden wir für solche Prozesse auch erwarten. Ab einer bestimmten Größe hört dieses Wachstum dann aber plötzlich auf.“

Das Wachstum von NELF-Aggregaten wird durch Stress-Signale reguliert

In der aktuellen Studie untersuchten die Forschenden Aggregate des Proteins NELF. Diese Proteinaggregate bilden sich, wenn eine Zelle zum Beispiel durch Hitze unter Stress steht, oder wenn sich Aggregate anderer Proteine bilden, so wie bei Demenz und anderen neurogenerativen Erkrankungen. „Durch die Bildung von Kondensaten im Zellkern hemmt NELF die Expression von Genen“, fasst Co-Autor Dr. Ritwick Sawakar die natürliche Funktion des Proteins zusammen. „Diese Hemmung ist wichtig, damit die Zelle den Stress überlebt.“ Sawakar war ebenfalls am CIBSS tätig und forscht aktuell am MRC Toxicology Unit der University of Cambridge.

Die Wissenschaftler*innen konnten jetzt beobachten, dass in Zellen auch ohne Stress viele kleine NELF-Kondensate vorliegen. „Außerhalb einer Zelle würden wir erwarten, dass die Kondensate weiterwachsen, sobald sie eine kritische Größe erreicht haben. In lebenden Zellen scheinen sie das aber nur zu tun, wenn die Zelle unter Stress steht“, beschreibt Reinhardt das Ergebnis. Die Forschenden schließen daraus, dass NELF-Kondensate aktiv klein gehalten werden, bis Stresssignale das Wachstum wieder freigeben.

Proteinaggregate sind wohl ein wichtiger Mechanismus der Signalverarbeitung

Dieser auf den ersten Blick komplizierte Prozess ist laut der Wissenschaftler*innen wahrscheinlich essentiell für die Verarbeitung von Stresssignalen: „Größere Kondensate können sich bei Bedarf so besonders schnell bilden und kleine sehr schnell auflösen“, erklärt Hugel. „So kann die Zelle rechtzeitig auf Stress reagieren.“

Proteinaggregaten werden viele verschiedene und grundlegende Funktionen für die Signalverarbeitung in Zellen zugeschrieben. Die neue Mikroskopiemethode macht es jetzt möglich, diese Funktionen umfassend zu verstehen. Das ermöglicht auch, die Rolle von Proteinaggregaten bei Krankheiten wie Demenz, Alzheimer oder Huntingtons zu erforschen. Langfristig könnte ein besseres Verständnis davon auch bei der Diagnose oder Therapieentwicklung bei solchen Krankheiten helfen.

Über den Exzellenzcluster CIBSS

Der Exzellenzcluster CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies der Universität Freiburg hat das Ziel, ein umfassendes Verständnis von biologischen Signalvorgängen über Skalen hinweg zu gewinnen – von den Wechselwirkungen einzelner Moleküle und Zellen bis hin zu den Prozessen in Organen und ganzen Organismen. Die Forscherinnen und Forscher setzen das gewonnene Wissen ein, um Strategien zu entwickeln, mit denen sich Signale gezielt kontrollieren lassen. Sie erschließen dank dieser Technologien nicht nur neue Erkenntnisse in der Forschung, sondern ermöglichen auch Innovationen in der Medizin und den Pflanzenwissenschaften. www.cibss.uni-freiburg.de

  • Originalpublikation: Chenyang Lan, Juhyeong Kim, Svenja Ulferts, Fernando Aprile-Garcia, Sophie Weyrauch, Abhinaya Anandamurugan, Robert Grosse, Ritwick Sawarkar, Aleks Reinhardt, Thorsten Hugel (2023). Quantitative real-time in-cell imaging reveals heterogeneous clusters of proteins prior to condensation. In: Nature Communications. DOI: 10.1038/s41467-023-40540-2
  • Thorsten Hugel ist Professor für Physikalische Chemie am Institut für Physikalische Chemie der Universität Freiburg und Mitglied des Exzellenzclusters CIBSS – Centre for Integrative Biological Signalling Studies. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Entwicklung von Einzelmolekülmethoden, um dynamische biologische Prozesse zu quantifizieren und zu verstehen. Website: https://www.singlemolecule.uni-freiburg.de/
  • Die Studie wurde durch die den Europäischen Forschungsrat (European Research Council, ERC) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert.
  • Die Analyseprogramme können hier kostenlos heruntergeladen werden: https://doi.org/10.5281/zenodo.6946007

Kontakt:

Hochschul- und Wissenschaftskommunikation

Universität Freiburg

Tel.: 0761/203-4302

E-Mail: kommunikation@zv.uni-freiburg.de

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