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Reform der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU: Trotz Eingehens auf die meisten Bedenken bleiben Risiken

Reform der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU:  Trotz Eingehens auf die meisten Bedenken bleiben Risiken
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Reform der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU:

Trotz Eingehens auf die meisten Bedenken bleiben Risiken

  • Die Reformvorschläge gehen auf die meisten Bedenken in Bezug auf den derzeitigen rechtlichen Rahmen ein.
  • Die größte Herausforderung wird darin bestehen, für haushaltspolitische Anpassungen zu sorgen, die die Schuldentragfähigkeit fördern.

Die EU bemüht sich derzeit um eine Aktualisierung ihres Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung, dessen Mängel in den letzten Jahren wiederholt hervorgehoben wurden. In einer heute veröffentlichten Analyse untersucht der Europäische Rechnungshof, inwiefern die jüngst von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Reform diesen Mängeln Rechnung trägt. Die Prüfer begrüßen die Bemühungen im Rahmen dieser Initiative, weisen aber auch auf Herausforderungen und Risiken mit Blick auf eine wirksame Koordinierung der Wirtschaftspolitik in der EU hin.

Der EU-Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung habe bisher eine durchwachsene Erfolgsbilanz. Kurz vor der Corona-Pandemie hätten 12 EU-Länder eine öffentliche Verschuldung von 60 % aufgewiesen, 10 Länder makroökonomische Ungleichgewichte und drei Länder übermäßige Ungleichgewichte. Diese Zahlen zeigten – wie vom Rechnungshof in den letzten Jahren immer wieder berichtet – die erheblichen Mängel, die es beim Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung und seiner Umsetzung gebe: Der Rückgriff auf Indikatoren, die nicht beobachtet werden könnten und häufig – und zum Teil erheblich – revidiert würden, fehlende nationale Eigenverantwortung, ein Ungleichgewicht zwischen Transparenz und Ermessen, fehlende Durchsetzung in der Praxis, Komplexität sowie Überschneidungen bei der Überwachung. Die EU-Kommission selbst habe eingeräumt, dass der Rahmen überarbeitet werden müsse, und im April 2023 ein Paket mit Reformvorschlägen vorgelegt.

"Mit den Reformvorschlägen sollen viele der Probleme des aktuellen Rahmens behoben werden, auf die die EU-Prüfer in den letzten Jahren hingewiesen haben", so François-Roger Cazala, das für die Analyse zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. "Die größte Herausforderung wird jedoch darin bestehen, zeitnahe und wirksame haushaltspolitische Anpassungen sicherzustellen, die für eine größere Schuldentragfähigkeit sorgen, und zugleich Investitionen und Wachstum zu fördern."

Die Nettoausgaben sollen bei der Festlegung der sogenannten haushaltspolitischen Anpassungspfade in den mittelfristigen haushaltspolitischen Strukturplänen der EU-Länder und bei der jährlichen haushaltspolitischen Überwachung als einziger Indikator dienen. Damit werde der Forderung der EU-Prüfer nach einem einfacheren Indikator Rechnung getragen, der besser zu beobachten und dessen Entwicklung besser vorherzusehen sei als bisher. Die Prüfer begrüßten ferner das Ziel, die Schuldentragfähigkeit stärker zu gewichten, indem anstelle eines Pauschalansatzes stärker auf die einzelnen Länder geachtet werde. Sie warnen jedoch davor, dass die EU-Länder die erforderlichen haushaltspolitischen Anpassungen möglicherweise nicht vornehmen. Gingen beispielsweise die EU-Länder von optimistischeren Wachstumsannahmen aus als die Kommission, dann würde die prognostizierte Schuldenquote – das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum Bruttoinlandsprodukt – geringer ausfallen, und folglich würden nur unzureichende haushaltspolitische Anpassungen durchgeführt.

Die Prüfer stellten fest, dass auf nationaler Ebene die Verbindlichkeit der mittelfristigen haushaltspolitischen Rahmen nach wie vor schwach ist. Sie begrüßen den Vorschlag der EU-Kommission, die Rolle unabhängiger nationaler finanzpolitischer Institutionen zu stärken und auszuweiten, es sei aber abzuwarten, wie dies in der Praxis umgesetzt werde.

Nationale Eigenverantwortung sei wichtig, damit die wirtschaftspolitische Steuerung der EU wirksam funktionieren könne: Fehle es den Regierungen an Eigenverantwortung, würden sie wichtige Strukturreformen mit höherer Wahrscheinlichkeit aufschieben. Die Vorschläge trügen den von den EU-Prüfern in der Vergangenheit diesbezüglich festgestellten Sachverhalten Rechnung. Ebenso würde mit den Vorschlägen die Transparenz verbessert, da die Kommission ihre Methodik und Daten für die Festlegung des sogenannten Referenzanpassungspfads offenlege. Es sei allerdings nicht klar festgelegt, anhand welcher Kriterien und Methodik die mittelfristigen Strukturpläne bewertet würden. Daher bestehe aus Sicht der Prüfer das Risiko, dass der Auslegungs- und Ermessensspielraum der Kommission zunehme, was sich auf die Transparenz und die Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten auswirken könne.

Was die Durchsetzung der Haushaltsregeln betreffe, konnten zwar im Rahmen der haushaltspolitischen Überwachung der EU bei Verstößen seit jeher Sanktionen verhängt werden, doch habe die Kommission von dieser Möglichkeit bisher keinen Gebrauch gemacht. Die Prüfer sind der Auffassung, dass Sanktionen, die auch tatsächlich genutzt werden können – wie von der Kommission nun vorgeschlagen –, sich positiv auf die Durchsetzung auswirken könnten. Facheinschätzungen und politische Erwägungen dürften jedoch bei der Entscheidung, ob finanzielle Sanktionen verhängt werden, weiterhin die ausschlaggebende Rolle spielen. Die Kopplung von Mitteln aus der Aufbau- und Resilienzfazilität (bekannt als "Corona-Aufbaufonds") an die länderspezifischen Empfehlungen des Europäischen Semesters (des jährlichen Zyklus der wirtschafts- und haushaltspolitischen Steuerung) könnte sich positiv auf die Umsetzung der Empfehlungen auswirken und auch die Durchsetzung der Haushaltsregeln begünstigen.

Schließlich stellen die Prüfer fest, dass trotz der Bemühungen der Kommission um eine Verschlankung bei der makroökonomischen Überwachung der EU immer noch viele Akteure auf vielen Ebenen beteiligt sind.

Hintergrundinformationen

Ziel des EU-Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung ist es, wirtschaftliche Trends, die die nationalen Volkswirtschaften schwächen oder sich negativ auf die EU-Länder auswirken könnten, zu überwachen, zu verhindern und zu korrigieren. Der EU-Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung hat sich im Laufe der Zeit schrittweise weiterentwickelt. Heute wird im Rahmen des Europäischen Semesters für die Koordinierung der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik ein integrierter Ansatz verfolgt. Dieser umfasst den haushaltspolitischen Rahmen der EU (Stabilitäts- und Wachstumspakt und haushaltspolitische Rahmen der Mitgliedstaaten), das Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht und den Rahmen für Mitgliedstaaten, die in Bezug auf ihre finanzielle Stabilität oder die Tragfähigkeit ihrer öffentlichen Finanzen von gravierenden Schwierigkeiten betroffen oder bedroht sind oder anderweitig finanzielle Unterstützung beantragen.

Im Anschluss an ihre eigene Überprüfung der Wirksamkeit der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU und eine öffentliche Konsultation sowie unter Berücksichtigung der bisher zu diesem Thema geleisteten Prüfungsarbeit des Rechnungshofs hat die Europäische Kommission im April 2023 ein aus mehreren Legislativvorschlägen bestehendes Gesetzgebungspaket zur Reform des EU-Rahmens für die wirtschaftspolitische Steuerung vorgelegt. Die Vorlage erfolgte im Vorfeld der anstehenden Haushaltsverfahren der Mitgliedstaaten.

Die Analyse 5/2023 "Reform der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU: Chancen, aber auch Risiken und Herausforderungen" ist auf der Website des Europäischen Rechnungshofs ( eca.europa.eu) abrufbar. Die vorliegende Veröffentlichung ist kein Prüfungsbericht, sondern eine Analyse, die sich auf die bisherige Arbeit des Europäischen Rechnungshofs in diesem Bereich stützt. Für ihre Erstellung wurde auch auf öffentlich verfügbare Informationen sowie auf Material, das speziell für diesen Zweck zusammengetragen wurde, zurückgegriffen.

Pressekontakt

Pressestelle des Europäischen Rechnungshofs: press@eca.europa.eu

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