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DIE ZEIT

Gerhard Schröder räumt bei der ZEIT MATINEE Fehler während eigener Amtszeit ein und verteidigt Putin

Hamburg (ots)

Hamburg, 29. Oktober 2006: Gerhard Schröder hat
bei der ZEIT MATINEE Fehler während seiner eigenen Amtszeit 
eingeräumt. "Die sieben Jahre waren nicht fehlerfrei", sagte Schröder
im Gespräch mit den ZEIT-Herausgebern Josef Joffe und Michael 
Naumann. So sei der Koalitionsvertrag 2002 "viel zu technokratisch" 
gewesen. Man hätte sich "mehr Zeit geben müssen, um präziser zu 
sein". Die Agenda 2010, die 2003 entstand, hätte eigentlich die 
Regierungserklärung der zweiten Legislaturperiode sein müssen, so 
Schröder. Außerdem habe man viel zu lange diskutiert, ob Deutschland 
ein Einwanderungsland sei oder nicht, anstatt die Integration von 
Migrantenfamilien mit konkreten Beschlüssen voranzutreiben. Man habe 
zu institutionell, zu wenig konkret gehandelt. Insbesondere bei der 
Vermittlung der deutschen Sprache habe man "zu wenig Zwang ausgeübt".
Die Überzeugung, man müsse eine gesteuerte Einwanderung haben, habe 
sich zu spät durchgesetzt.
Bei der Veranstaltung der Wochenzeitung DIE ZEIT im ausverkauften 
Hamburger Thalia Theater plädierte Gerhard Schröder auch für einen 
"veränderten Begriff der Nachbesserung in der Politik": Politiker 
müssten das Recht auf Kurskorrekturen haben, "ohne dass man 
denunziert wird". Die Wirklichkeit wandle sich viel zu schnell und 
sei zu komplex für statische Entscheidungen. Die Politik müsse heute 
soziale und wirtschaftliche Veränderungsprozesse vorhersehen und ihre
Entscheidungen gegebenenfalls korrigieren dürfen.
Auf die Vorwürfe, seine Regierung habe zur Verbreiterung einer 
Unterschicht beigetragen, sagte Schröder, dies sei "Unfug". Eine 
Unterschicht habe es auch in der Vergangenheit gegeben, sie sei aber 
z. B. durch die Globalisierung verschärft worden. Ein Problem liege 
auch in den modernen Gesellschaften selbst: "Die Menschen wollen an 
bestehenden Strukturen festhalten". Neben dem Angebot sei 
insbesondere der Wille zur Veränderung wichtig. Wohlhabenden 
Gesellschaften fehle es häufig an Motivation. Ein großes Problem 
sieht Schröder in der Abwanderung junger hochqualifizierter 
Arbeitskräfte. Schuld daran seien aber die Unternehmen selbst, die 
Berufsanfängern schlechte Einstellungschancen bieten: "Die jungen 
Leute werden heute von Praktikum zu Praktikum geschickt".
Mit Kritik an der aktuellen Regierung hielt Schröder sich zurück. 
Die Libanon-Politik halte er für richtig, allerdings kritisierte er 
die Gesundheitsreform: Kopfpauschale und Bürgerversicherung seien 
zwei "nicht zu vereinbarende Prinzipien, die man mit der Reform 
versuche in der Schwebe zu halten, damit alle zufrieden sind." 
Veränderungsbedarf sieht er auch in der Regulierung: Es sei "schon 
ein bisschen kleinkariert, wie wir uns bisweilen darstellen".
Schröder verteidigte auch seine persönliche Beziehung zu Putin, 
den er früher einen "lupenreinen Demokraten" genannt hatte. Das alte 
Russland, so Schröder, "hat nie eine demokratische Entwicklung 
erlebt". Putin habe eine große historische Leistung in der 
Reorganisation des Staates erbracht. Er halte den "deutschen 
Zeigefinger" für unangebracht. Auch auf die Frage nach der Situation 
der Pressefreiheit in Russland, verteidigte Schröder den russischen 
Präsidenten. In der gedruckten Presse gebe es durchaus kritische 
Berichte, im Fernsehen gebe er allerdings Einseitigkeiten zu.
Diese Pressemitteilung finden Sie auch unter presse.zeit.de
Silvie Rundel
Leiterin Presse & Öffentlichkeitsarbeit
Telefon: +49 (0)40 3280-344
E-Mail:  rundel@zeit.de

Original-Content von: DIE ZEIT, übermittelt durch news aktuell

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