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CIVIS Medienforum Berlin diskutiert Perspektiven und Darstellung der Einwanderungsgesellschaft in den Medien

Köln (ots)

Für eine differenzierte Darstellung der
Einwanderungsgesellschaft und eine kritische Auseinandersetzung mit
dem Rechtsradikalismus in den Medien haben sich Politiker,
Medienmacher und Wissenschaftler auf dem CIVIS Medienforum in Berlin
ausgesprochen. „Das Bild der Einwanderungsgesellschaft in Hörfunk und
Fernsehen erscheint einseitig. Ehrenmorde und islamische
Zwangsheiraten finden in den Medien mehr Aufmerksamkeit als
differenzierte Darstellungen der Migranten und Minderheiten in ihrer
Normalität und Selbstverständlichkeit“, stellte der CIVIS
Kuratoriumsvorsitzende, WDR-Intendant Fritz Pleitgen, am Freitag
kritisch fest. Er wolle Autoren und Redaktionen ermutigen,
„innovative Zugänge bei der Behandlung von Themen und Stoffen der
Einwanderungsgesellschaft“ zu erproben. „Migranten sollen nicht
länger in unseren Programmen in klischeebehafteten Rollen auftreten.
Sie müssen verstärkt als Menschen und Protagonisten erscheinen, die
aus der Mitte unserer Gesellschaft kommen.“ Pleitgen kündigte eine
verstärkte Präsenz von Moderatoren, Reportern und
Nachrichtensprechern mit ausländischem Hintergrund in den
WDR-Hauptprogrammen an.
Der Präsident des Deutschen Sparkassen und Giroverbandes, Dr.
Dietrich H. Hoppenstedt, wies in seiner Rede daraufhin, dass immer
mehr Bürgerinnen und Bürger verunsichert seien und Angst vor sozialem
Abstieg hätten. Dies sei eine Ursache für die zunehmende
Bereitschaft, „Sündenböcke“ in der Gesellschaft zu suchen. Er
forderte die Politik auf, weniger über Maßnahmen, sondern viel mehr
über Ziele zu sprechen und sich der wirtschaftlichen Sorgen der
Bevölkerung stärker anzunehmen. „Wohlstand für alle“ müsse wieder zur
politischen Zielsetzung werden.
Nach Ansicht der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung,
Marieluise Beck, entstehen viele Probleme in der
Einwanderungsgesellschaft nicht allein durch Zuwanderung, sondern
durch das Aufeinandertreffen von Tradition und Moderne. Auf der einen
Seite gebe es Hassprediger, Ehrenmorde und Zwangsehen; auf der
anderen Seite aber auch eine Miss Germany mit türkischem Hintergrund,
den mit Filmpreisen ausgezeichneten Erfolgsregisseur Fatih Akin und
populäre Fußballer aus dem Ausland. Die Medien sollten sehr wohl „die
Finger immer wieder auf die Wunden legen“ und über Probleme
berichten. Doch müssten sie aufpassen, dass Missstände und
Fehlentwicklungen wie Straftaten nicht verallgemeinernd auf die
Gesamtheit der Ausländer projiziert würden.
Auf Kritik stieß auch die Berichterstattung über den
Rechtsradikalismus in Hörfunk und Fernsehen. Laut einer ARD/ZDF-
Medienstudie, so Pleitgen, neigten Journalisten dazu, „eine
Gefühlskultur gegen Rechts zu etablieren und damit das
Extremismusproblem zu entpolitisieren“. Allzu oft werde das
stereotype Bild eines „Rechtsextremismus der Straße konstruiert – mit
den Symbolen Glatze, Fahne und Bomberjacke“. Dabei werde „das
Entstehen des Alltagsrassismus und des Rechtsradikalismus in
Nadelstreifen meist nur als Randphänomen behandelt.“ ZDF-
Chefredakteur Nikolaus Brender räumte ebenfalls Mängel in der
Behandlung des Rechtsradikalismus durch die TV-Sender ein. „Wir
betreiben Kampagnen- und Konjunktur-Journalismus, der der Sache nicht
dient. Wir sind bestrebt, den richtigen Duktus zu finden. Den haben
wir noch nicht“.
„Das Fernsehen macht viel falsch“, meinte Prof. Dr. Wilhelm
Heitmeyer, Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und
Gewaltforschung der Universität Bielefeld. Die Abhängigkeit von
wirkungsvollen Bildern hindere die Fernsehjournalisten daran, auf
Rechtspopulismus, Ausländerfeindlichkeit und latenten Antisemitismus
in der Mitte der Gesellschaft einzugehen. „Für das gefährlich Normale
habe das Fernsehen keinen Sensor.“ Stattdessen konzentrierten sich
die Medien auf die Extremisten in der NPD, die vielen Menschen aber
gar nicht als Gefahr erschienen, da sie sich um ihre Alltagsprobleme
kümmerten.
Prof. Dr. Georg Ruhrmann von der Friedrich-Schiller-Universität
Jena formulierte mehrere Empfehlungen für die Berichterstattung über
Migranten. Zugewanderte sollten demnach verstärkt als handelnde
Subjekte sichtbar gemacht werden. Als ein Thema empfahl er Berichte
über erfolgreiche Kooperationen zwischen Zugewanderten und Deutschen
auf kommunaler Ebene. Er empfahl ferner eine verstärkte Einstellung
von Migranten in Medienunternehmen, um deren Begabungen nicht
ungenutzt zu lassen. Schließlich sollten Migranten in Filmen und
Fernsehspielen als „positive Identifikationsfiguren“ zu sehen sein
sowie auch als Regisseure und Autoren beauftragt werden, was in den
USA bereits seit langem erfolgreich praktiziert werde.
Das CIVIS Medienforum ist eine Veranstaltung der CIVIS medien
stiftung, die den europäischen ARD Medienpreis CIVIS vergibt. Die
CIVIS-Medienpreise werden von der ARD, vertreten durch den
Westdeutschen Rundfunk, gemeinsam mit der Freudenberg Stiftung in
allen 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausgeschrieben. CIVIS
wird unterstützt vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV),
der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und
Integration, dem Europäischen Parlament, der Europäischen Stelle zur
Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC), der
Europäischen Rundfunkunion (EBU) und der ungarischen Stiftung
Autonómia.

Kontakt:

Uwe-Jens Lindner, WDR Pressestelle
Telefon 0221-220 8475
Handy 0173-54 69 044

Original-Content von: WDR Westdeutscher Rundfunk, übermittelt durch news aktuell

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