Alle Storys
Folgen
Keine Story von Westfalen-Blatt mehr verpassen.

Westfalen-Blatt

Westfalen-Blatt: zum Impfen

Bielefeld (ots)

Es bewahrheitet sich immer wieder: Wer wissen will, wie gut es uns heute geht, muss in alten Zeitungen lesen. Zum Beispiel von der Inspektion der sauerländischen Pockenfront. »Wir haben die Pocken im Griff, nach menschlichem Ermessen sind alle Kontaktpersonen isoliert«, zitierte der »Spiegel« im Februar 1970 einen für Seuchenbekämpfung zuständigen NRW-Ministerialrat. Das Magazin berichtete weiter: »In den vier zum Pockensperrgebiet erklärten Landkreisen Arnsberg, Warstein, Lippstadt, Wiedenbrück hatten sich bereits 15.000 Einwohner impfen lassen, und tags darauf lief im Sperrgebiet eine Massenimpfaktion für 100.000 an.« Der sauerländische Pockenausbruch sei auf einen »Orientreisenden« aus Meschede zurückzuführen gewesen, hieß es. Ein Grenzschutzbeamter auf dem Frankfurter Flughafen habe den Mann passieren lassen, obwohl in seinem Impfpass die Pockenimpfbescheinigung fehlte. Hätte der Beamte aufgepasst, wäre der Reisende in Quarantäne gekommen, kritisierte der Ministerialrat demnach damals. Was als die letzte Pockenepidemie in Deutschland mit vier Toten, rund 20 Erkrankten und um sich greifender Angst bekannt wurde, fand nämlich zu Zeiten einer Impfpflicht statt. Wer so um die 50 ist, trägt mit hoher Wahrscheinlichkeit als bleibende Erinnerung an diese Impfpflicht eine Narbe mit sich herum. Eine der Nebenwirkungen. Durchgezogen wurde die von der Weltgesundheitsorganisation ins Leben gerufene Aktion gegen die Pocken natürlich trotzdem. Es galt ja, eine potenziell tödliche Krankheit zu besiegen. 1980 kam endlich die Erfolgsmeldung: Das Virus, das die Menschheit jahrhundertelang terrorisiert hatte, gilt seitdem als ausgerottet. Fast 40 Jahre später gibt es nun einen Impfstoff, der gegen den Malariaerreger helfen soll. Der ist längst nicht perfekt, macht aber Hoffnung. In Malawi, bald auch in Ghana und Kenia, wird er gerade ausprobiert. In Afrika sterben bislang jährlich rund 250.000 Kinder an Malaria. Wenn der Impfstoff hilft, werden nicht nur die Menschen in Afrika jubeln. Auch die Masern sind eine im schlimmsten Fall tödliche Krankheit. Die Möglichkeit, sie auszurotten, wird hierzulande aber nicht bejubelt. Im Gegenteil: Wir setzen sie durch Gedankenlosigkeit, Nachlässigkeit oder vereinzelt auch ideologische Sturheit aufs Spiel. Dagegen kann man mit einer Pflicht vorgehen - wie damals bei den Pocken. Das scheint in Kindergärten, die ja freiwillig besucht werden, rechtlich einfacher als in Grundschulen. Ob das Verfassungsgericht einen Weg findet, wie sich die Schulpflicht und eine Impfpflicht vertragen? Warten wir es mal ab. Und erinnern bis dahin eifrig. An die Impftermine von morgen und die Pockenimpfnarben von gestern. Damit keiner vergisst, wie gut es uns heute eigentlich geht.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Scholz Stephan
Telefon: 0521 585-261
st_scholz@westfalen-blatt.de

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Westfalen-Blatt
Weitere Storys: Westfalen-Blatt
  • 23.04.2019 – 21:00

    Westfalen-Blatt: zu Hochzeitskorsos

    Bielefeld (ots) - Allein 38 Hochzeitskorsos haben die Polizei am Osterwochenende in Nordrhein-Westfalen beschäftigt, am Wochenende zuvor waren es bereits 32. Und die Zahl dürfte in den kommenden Wochen weiter steigen. Inzwischen macht Innenminister Herbert Reul mächtig Druck. Der CDU-Politiker lässt seiner Behörde alle Zwischenfälle melden. Endlich, möchte man sagen, wird im Ministerium aktiv gehandelt. Politiker ...

  • 23.04.2019 – 21:00

    Westfalen-Blatt: zu fehlerhaften Arztbriefen

    Bielefeld (ots) - Als Patient ist man es gewohnt, ärztliche Notizen nicht entziffern zu können. Bei handgeschriebenen Rezepten blieb früher oft nur zu hoffen, dass der pfiffige Apotheker wusste, welches Medikament gemeint war. Aber dass offenbar auch die Kommunikation zwischen Ärzten nicht funktioniert, ist ein Alarmsignal. Neun von zehn Hausärzten fürchten, dass aus missverständlichen oder gar fehlerhaften ...

  • 22.04.2019 – 21:00

    Westfalen-Blatt: zu den »Gelbwesten«

    Bielefeld (ots) - In Frankreich begann die Bewegung der »Gelbwesten« vor einem halben Jahr als Protest gegen die geplante höhere Besteuerung fossiler Kraftstoffe. Mit den Einnahmen wollte Präsident Emmanuel Macron eine Energiewende erzwingen und finanzieren. Betroffen sahen sich vor allem Bürger im ländlichen Raum und in der Provinz, die als Pendler längere Strecken zu ihren Arbeitsplätzen und Supermärkten fahren ...