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Die Herzkammer des Föderalismus/Auch in der tausendsten Sitzung des Bundesrates wurde nicht groß gefeiert, sondern gearbeitet. Und gerade in der Pandemie muss sich die Länderkammer bewähren.

Berlin (ots)

Zu Unrecht steht der Bundesrat, der am Freitag seit seinem ersten Zusammentreten im September 1949 in Bonn nun in Berlin seine tausendste Sitzung erlebte, etwas im Schatten der anderen politischen Kraftzentren Bundesregierung und Bundestag. Dabei ist die Länderkammer so etwas wie das Herz des deutschen Föderalismus. Während Kritiker über das Vetospiel, die Langwierigkeit von Entscheidungen oder gar die Unregierbarkeit der Republik schwadronieren, wird diese Institution der Zusammenarbeit, des Ausgleichs der Länder und des Bundes außerhalb Deutschlands bewundert. Die größte Bewährungsprobe in den mehr als 70 Jahren ihres Bestehens erlebt die Länderkammer freilich jetzt im Kampf gegen die Corona-Pandemie.Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Recht, wenn er in diesem Zusammenhang nun vor einem Schwarzer-Peter-Spiel, vor Schuldzuweisungen an die jeweils andere staatliche Ebene warnt: Gelingt der Kampf gegen das tückische Virus, gewinnen alle. Verlieren wir ihn, verlieren alle. Kann die Ausbreitung von Covid 19 eingedämmt, können weitere Todesopfer und weiteres Leid verhindert werden, dann ist das zuerst ein Verdienst der Bürgerinnen und Bürger, die sich an die vielen Beschränkungen in der Pandemie halten - so schwer das mittlerweile auch fallen mag. Und es ist auch ein Verdienst des föderalen Krisenmanagements - so kritikwürdig einzelne Maßnahmen auch sein mögen. So schwerfällig und halbherzig mitunter Entscheidungen getroffen werden.Dabei ist die Länderkammer zugleich ein Spiegelbild der sich verändernden politischen Verhältnisse im Land. Lange Zeit war der Bundesrat eine Art Ausgleichsinstrument für Entscheidungen des Bundes, von Regierung und Bundestag. Mitunter wurde sogar auch Blockade betrieben. Bis in die neunziger Jahre hinein wurden bisweilen missliebige Gesetze in der Länderkammer abgeschmettert. Von der Union ebenso wie von den Sozialdemokraten, je nachdem wer im Bund oder eben in der Länderkammer die Mehrheit besaß. Mittlerweile jedoch sind die politischen Farbkombinationen des Regierens in den Bundesländern bunter, vielfältiger geworden. Es gibt derzeit ganze neun verschiedene Koalitionsmodelle, von Jamaika im Norden bis zur CSU-Koalition mit Freien Wählern in Bayern. Alleinregierungen, in früheren Jahren in einigen Bundesländern durchaus an der Tagesordnung, gibt es schon gar keine mehr. Der Zwang, sich über Parteigrenzen auf einigermaßen tragbare Kompromisse zu verständigen, ist wesentlich größer geworden. Wenngleich das die Arbeit des mitunter doch recht schwerfälligen Bundesrats-Betriebes nicht einfacher macht. Musste in früheren Jahren vor allem ein Einvernehmen von A-Ländern (SPD-regiert) und B-Ländern (Unions-regiert) erreicht werden, dann müssen heute wesentlich mehr Interessen berücksichtigt werden.Im Bundesrat geht es vielstimmiger zu. Und dabei sind die zig Gesetze und Verordnungen, die er einbringen, absegnen - oder eben ablehnen kann - zugleich komplexer und komplizierter geworden. Am Freitag etwa stand auf der Tagesordnung auch der "Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über eine Pilotregelung für auf der Distributed-Ledger-Technologie basierende Marktinfrastrukturen". Alles klar? Doch nicht nur wenn es, wie in dem Fall, um dezentral geführte Kontobücher geht, steht der Bundesrat immer auch vor der Aufgabe, politische Sachverhalte, Hintergründe und Entscheidungen zu erklären, verständlich und nachvollziehbar zu machen. Wird dies unterlassen, bleibt es beim Politik-Chinesisch, dann wird Raum gelassen für Unverständnis, für allerhand Pseudo-Erklärungen oder gar für Verschwörungstheorien.

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