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Der falsche Zeitpunkt/Warnstreiks legen Busse lahm. Mitten in der Pandemie sind solche Arbeitskampf-Rituale fehl am Platz. Die Forderungen sind überzogen. Leitartikel von Dagmar Unrecht

Regensburg (ots)

Die Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst ist in vollem Gange. Die Warnstreiks ziehen sich quer durch die Republik und haben auch Auswirkungen in unserer Region. Vergangene Woche fuhren einen ganzen Tag fast keine Busse in Regensburg. Am Freitag soll der öffentliche Nahverkehr in Bayern erneut lahmgelegt werden. Das Hickhack zwischen Gewerkschaften und kommunalen Arbeitgebern folgt altbekannten Mustern. Beide Seiten lassen die Muskeln spielen, einigen müssen sie sich am Ende doch. Nur: Dieses Jahr ist kein normales Jahr. Wir leben mitten in einer Pandemie mit aktuell steigenden Infektionszahlen. Daher sollten die Tarifparteien schleunigst ernsthaft verhandeln, anstatt zulasten der Bevölkerung in den Ausstand zu treten. Die Gewerkschaft Verdi und der Beamtenbund dbb fordern für die bundesweit 2,3 Millionen Tarifbeschäftigten von Bund und Kommunen 4,8 Prozent mehr Geld, mindestens aber 150 Euro. Pflegekräfte, Erzieherinnen, die Müllabfuhr - sie alle leisten einen wichtigen Dienst und sollen auch entsprechend entlohnt werden. Gerade die Mitarbeiter im Gesundheitsbereich werden seit der Pandemie für ihren Einsatz mit vielen warmen Worten bedacht, kein Wunder also, dass sie auch im Geldbeutel Wertschätzung erfahren möchten. Auf der anderen Seite ist die wirtschaftliche Situation im Land alles andere als rosig. Der Bund hat sich enorm verschuldet, um die Folgen von Corona abzufedern. Die Kommunen haben viel weniger Geld zur Verfügung als in Vor-Pandemie-Zeiten und dämpfen daher zurecht die Erwartungen der Gewerkschaften. Dazu kommt: Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst waren nicht in Kurzarbeit wie viele andere Arbeitnehmer. Es handelt sich auch keineswegs nur um "Corona-Helden". Viele Tarifbeschäftigte wurden während des Lockdowns bei vollen Bezügen freigestellt - und müssen auch jetzt nicht um ihre Jobs bangen. Damit geht es ihnen besser als großen Teilen der arbeitenden Bevölkerung: Künstler, Gastronomen, Hoteliers oder Geschäftsinhaber haben Angst um ihre Existenz. Die Sorge, dass sich die Lage im Winter noch verschlimmert, ist groß. Die Pandemie und ihre Folgen bekommen auch viele Arbeitnehmer in der Region zu spüren, zahlreiche Firmen haben bereits angekündigt, Stellen abzubauen: Conti, Krones, Mahle - die Liste ließe sich problemlos verlängern. Es ist schlicht der falsche Zeitpunkt für Arbeitskämpfe. Besser wäre es gewesen, die Tarifrunde ganz auszusetzen. Die IG Metall hat es im Frühjahr vorgemacht: Die Metall-Tarifparteien, sonst nicht gerade für besondere Zurückhaltung bekannt, haben einen Corona-Not-Abschluss vereinbart. Das Krisenpaket beinhaltet, dass die Löhne in diesem Jahr nicht mehr erhöht werden. Davon ist man im öffentlichen Dienst allerdings weit entfernt - und bestreikt noch dazu Bereiche, die ohnehin besonders unter Corona leiden. Home-Office und die Angst, sich anzustecken, haben die Fahrgastzahlen im Nahverkehr nach unten rauschen lassen. Auch geschlossene Kitas belasten erneut die Eltern, die während der Pandemie im Frühjahr ohnehin monatelang ihre Sprösslinge daheim betreuen mussten. Am 22. Oktober steht die nächste Verhandlungsrunde an. Bis dahin wollen die Gewerkschaften den Arbeitskampf sogar noch ausweiten. Am Freitag sollen auch in Regensburg wieder Busse im Depot bleiben. Die Zeit ließe sich besser nutzen: Beide Seiten sollten endlich in sich gehen und vernünftige Verhandlungspositionen auf den Tisch legen. Ein Lohnplus von 4,8 Prozent ist völlig überzogen. Eine Nullrunde, wie sie die Arbeitgeber gerne hätten, wird wohl auch nicht die Lösung sein. Es braucht auf beiden Seiten Kompromissbereitschaft - und keine weiteren Streiks. Viele Bürger haben für dieses Kräftemessen derzeit kein Verständnis. Sie haben andere Sorgen.

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