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Mittelbayerische Zeitung: Zu Gast bei Freunden?
Die Uefa ging auf Nummer sicher. Ein zweites Sommermärchen ist damit noch lange nicht garantiert.

Regensburg (ots)

Fast wäre ein Lehrstück daraus geworden, wie man einen sicher geglaubten Sieg aus eigener Unfähigkeit noch verspielt. Nachdem der Deutsche Fußball-Bund (DFB) 2014 mit den Engländern einen Deal zum gegenseitigen Nutzen und Frommen geschlossen hatte, schien der Weg zur Ausrichtung der Europameisterschaft zum sportpolitischen Spaziergang zu werden. Wir, die Deutschen, verzichten aufs Finale der paneuropäischen EM 2020 und das kontinentale Turnier 2028, ihr, die Engländer, lasst uns als einziger ernsthafter Konkurrent dafür 2024 den Vortritt. Was sollte da noch schiefgehen? Vieles, wie sich weisen sollte. Der DFB, dessen Markenzeichen auf dem internationalen Fußball-Parkett der erhobene moralische Zeigefinger ist, hatte plötzlich selbst einen möglichen Korruptionsskandal an der Hacke. Die Affäre um die dubiosen Details der Vergabe der WM 2006 an Deutschland schwelt immer noch vor sich hin. Dann benahmen sich hochrangige DFB-Funktionäre während der WM in Russland daneben, und auch die Rassismus-Debatte um Mesut Özil hinterließ Spuren am sorgsam gepflegten Image. Zudem ist die politische Großwetterlage in Europa nicht dergestalt, dass sie danach schreit, Deutschlands wirtschaftliche Dominanz mit dem Zuschlag für ein zweites sportliches Sommermärchen atmosphärisch zu untermalen. Trotzdem hat es auf den letzten Drücker gereicht. Den Ausschlag für Deutschland gab wohl - wie so oft im Milliardengeschäft mit dem Profifußball - ökonomisches Kalkül. Eine EM in Deutschland verheißt sprudelnde Einnahmen auf dem größten Markt des Kontinents, da mochte die türkische Bewerbung noch so sehr mit üppigen Staatsgarantien und Steuererleichterungen locken. Die Granden des Europäischen Fußball-Verbandes Uefa gingen mehrheitlich lieber auf Nummer sicher. Menschenrechts- und sonstige heikle politische Fragen dürften dagegen beim Votum in Nyon eine eher untergeordnete Rolle gespielt haben. Fußballfunktionäre sind in solchen Dingen eher schmerzfrei, siehe die bizarre Vergabe der Weltmeisterschaft 2022 an Katar. Ein internationaler Sportverband, der den Ausrichter mit Knebelverträgen dazu nötigt, jegliche Demonstrationen im Umfeld der EM-Arenen strikt zu unterbinden, hat mit demokratischen Spielregeln ohnehin wenig am Hut. Die Uefa hat sich ähnlich wie die große Schwester, der Weltverband Fifa, in eine Sackgasse manövriert. Ihr Präsident Michel Platini, den später ein mysteriöser Geldfluss vonseiten der Fifa aus dem Amt spülte, war 2007 mit dem hehren Versprechen angetreten, die Rechte der sogenannten Kleinen im europäischen Fußball zu wahren. In der Folge wurde die EM grotesk auf 24 Teilnehmer aufgebläht, die in einer langwierigen Qualifikation unter gerade mal 55 Mitgliedsverbänden ermittelt werden. Dieser Gigantismus führte jedoch dazu, dass nur noch die Handvoll großer Länder Europas in der Lage sind, ein solches Mammutturnier organisatorisch zu stemmen. Der ökonomisch darbenden Türkei hätte das Championat einen absurden Kraftakt aufgebürdet - einzig und allein, um als Propagandabühne für einen Autokraten zu dienen. Nun also kommt Deutschland zum zweiten Mal nach 1988 zum Zug. Der DFB schürte schon während seiner Bewerbungskampagne gezielt die Vorfreude auf eine Fortschreibung des legendären Sommermärchens 2006. Doch ganz so einfach liegen die Dinge nicht. Kollektive Begeisterung lässt sich nicht von Fußballverbänden dekretieren. Eine bloße Kopie der WM 2006 würde zum faden Abklatsch verkümmern. Vor allem aber wachsen derzeit im Ausland die Zweifel daran, dass man wirklich überall "zu Gast bei Freunden" - so der WM-Slogan 2006 - ist, wenn man nach Deutschland reist.

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