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BERLINER MORGENPOST: Mit der Herausforderung überfordert - Leitartikel

Berlin (ots)

Es ist eigentlich noch zu früh, einen Strich zu ziehen unter diese für alle Beteiligten ziemlich furchtbaren EHEC-Wochen. Es sind ja noch Hunderte in den Krankenhäusern. Man weiß nicht, ob das kleine Kind, das gestern starb, wirklich das letzte Opfer ist. Wie viele derzeit noch um ihr Leben kämpfen. Man weiß nicht, wie viele Nieren ersetzt, wie viele neurologische Schäden nachbleiben. Wessen Gesundheit dauerhaft ruiniert bleibt oder sich doch noch erholt. Man weiß auch nicht, wie viele Hundertmillionen an Schäden für die Bauern entstanden sind. Wir wissen allerdings schon, dass einiges schiefgelaufen ist seit Ende April. Seit die ersten EHEC-Fälle bekannt und zunächst dramatisch unterschätzt wurden. Es ist also nicht zu früh, Konsequenzen zu ziehen aus diesen hilflosen Wochen. Das beginnt natürlich und notwendig im Gesundheitswesen. Wenn Ärzte in den Großkliniken unseres Landes Probleme haben, die zuständigen Gesundheitsbehörden der Kommunen, der Länder, des Bundes überhaupt zu erreichen, um alarmierende Botschaften loszuwerden, dann sind die Informationsketten lückenhaft. Das ist kein Allerweltsfehler, wenn es um Menschenleben geht, sondern eine Todsünde im wahrsten Sinne des Wortes. Damit kann man nicht gelassen umgehen. Darüber muss man sich empören. Und daraus müssen schnellstmöglich die nötigen Konsequenzen gezogen werden. Nur wenn man vor Ort, also ohne Zeitverluste, schnell und zielgerichtet handeln kann, kann man von erfolgreichem Gesundheits- und Verbraucherschutz reden. Und nur dann sind globale Großalarme vermeidbar, die zwangsläufig enorme Kollateralschäden mit sich bringen. Als die EHEC-Problematik Mitte Mai endlich angekommen war im Bewusstsein der letztlich Verantwortlichen, war es eigentlich zu spät. Die großflächige, im Nachhinein auch unsinnige Warnung vor Tomaten, Gurken, Salat war nichts weiter als eine sehr teure Panikreaktion. Ein Notmanöver, für das man zwar Gründe, aber leider keine Argumente hatte. Jedenfalls keine, die einer Prüfung standhielten. Sie war - bei allem Respekt vor der Arbeit des Robert-Koch-Instituts und für das Engagement der viel zu kleinen Kontrollteams - ein Offenbarungseid. Blinder Alarm, der im Zweifel auch noch abgelenkt hat von der eigentlichen Quelle des Übels. Bitter für das RKI, noch bitterer für dessen übergeordnete Behörde, das Gesundheitsministerium, und damit den zuständigen Minister. Daniel Bahr war offensichtlich überfordert mit der Herausforderung, die EHEC ihm quasi mit der Amtsübernahme abverlangte. Er ackerte noch auf dem falschen Feld, als ein niedersächsischer Provinzpolitiker die Wurzel des Übels endlich gepackt hatte. Die Sprosse, als Keim solchen Übels wahrlich kein Unbekannter. Man sollte nicht voreilig richten, aber mit dem Kopf schütteln kann man schon nach diesem Debakel, in das man natürlich auch das Bundesverbraucherschutzministerium einbinden muss. Verbraucherschutz hat in diesem Fall viel zu lange nicht stattgefunden, jedenfalls war sie unterm Strich nicht wirksam. Es ist müßig, in solchen Fällen Rücktritte zu fordern. Man darf aber daran erinnern, dass Minister in der Geschichte der Bundesrepublik schon aus weitaus nichtigerem Anlass zurückgetreten sind.

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