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BERLINER MORGENPOST

Berliner Morgenpost: Die Kunst, den Menschen aus der Seele zu sprechen - Kommentar

Berlin (ots)

Man mag sich das nun schon seit ein paar Monaten
fragen, seit einem Jahr. Wie dieser Kerl das eigentlich hinkriegt, 
immer und immer wieder herauszustechen aus dem grauen Heer der 
Weltbürokratie, den richtigen Ton zu treffen, den passenden Ort zu 
finden. Und da zu sein. Und dann freuen sich die Menschen, selbst 
wenn der Held selbst sich gar nicht blicken lässt, und man feiert ein
kleines Fest. Nur die, die nie verzeihen können, die immer Recht 
haben und in ihrem Leben nicht zugeben werden, geringer zu sein als 
ein anderer. Nur die zetern und warnen und wenden sich ab von 
Präsident Obama. Einem Politiker, dem es Gott sei Dank immer noch 
gelingt, Hoffnung zu machen auf eine bessere Welt.
Man weiß ja gar nicht so ganz genau, was ihn bewogen hat, jetzt nicht
den deutschen Triumphbogen zu wählen für seinen kurzen Auftritt hier,
nicht das Brandenburger Tor. Nicht diese wunderbare Freiheitsstadt, 
die hebt er sich vielleicht auf für diesen deutschen November. 
Stattdessen Dresden, das geschundene. Und Buchenwald. Buchenwald. 
Ronald Reagan in Bitburg, dann an der Mauer. George W.Bush in
Trinwillershagen, rustikal. Obama aber geht nach Buchenwald.
Und wieder trifft dieser Wunderknabe den Ton. Einen Tag nach seiner 
Kairoer Rede verneigt er sich vor den Toten der Schoah und beschämt 
so jeden Holocaust-Leugner. Kann Israel skeptisch sein gegenüber 
einem US-Präsidenten muslimischer Abstammung, der nach Deutschland 
reist, "nur" um ein ehemaliges KZ zu besuchen?
Traumwandlerisch sicher bewegt sich Obama - ein Debütant immer noch, 
kein alter Hase - über das internationale Parkett. Vielleicht ist er 
ja auch nur sehr gut beraten. Aber, wenn das so sein sollte, dann 
bedarf es ja auch immer eines Beratenen, der zuhört und den Rat 
annimmt. Man versteht ja eigentlich nicht sonderlich gut auf solchen 
Höhen. Überflieger, Machtmenschen, Alphatiere bleiben ja in der Regel
ganz gern bei sich.
Wir, das konnte man gestern vielfach nachlesen, bleiben natürlich 
angemessen skeptisch. Bloß nicht zu viel Euphorie. Wir suchen den 
Zweifel. Wir vermissen Konkreteres, Strategischeres, Greifbareres an 
Obamas Kairoer Rede, die aber eben doch eine Kehrtwende der 
US-Politik manifestiert. Nicht so sehr inhaltlich, da muss 
Außenpolitik grundsätzlich stringent sein über einen Machtwechsel 
hinaus. Aber eben doch empathisch. Obamas Wende zielt auf den Bauch, 
nicht allein auf die klugen Köpfe. Und nur so kann es der Politik 
gelingen, die Menschen mitzunehmen auf neue Wege.
Das ist ja ein Manko der deutschen, aber eben auch der europäischen 
Politik insgesamt, dass es ihr nur sehr mühevoll gelingt, die Herzen 
der Menschen zu treffen. Ihnen aus der Seele zu sprechen, ohne 
jemandem nach dem Munde zu reden. Das ist eine Kunst, die hier bei 
uns, befeuert von den ideologischen Kämpfen des Kalten Kriegs, 
verschüttgegangen ist. Wir Deutsche können also etwas lernen von 
Barack Obama, nicht nur stilistisch. Schauen wir also genau hin, 
nicht erst im November in Berlin.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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