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Nachgefragt bei AvD Präsident Lutz Leif Linden (Teil 2): „Ohne staatliche Förderung kein Formel-1-Rennen in Deutschland!“

Nachgefragt bei AvD Präsident Lutz Leif Linden (Teil 2): „Ohne staatliche Förderung kein Formel-1-Rennen in Deutschland!“
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Gratulation an den neuen Formel-1-Weltmeister Lando Norris. Platz drei hinter dem Sieger beim letzten Saisonrennen in Abu Dhabi, Max Verstappen (Red Bull), sowie McLaren-Teamkollege Oscar Piastri genügte, um den Titel einzufahren. Der Blick geht nun bereits auf die neue Saison. AvD Präsident Lutz Leif Linden hat eine lange Verbindung zur Formel 1. Bereits in den 1980er Jahren war er als Promoter beim jahrzehntelangen F1-Geschäftsführer Bernie Ecclestone aktiv. Als Präsident der FIA-GT-Kommission sowie des FIA Manufacturers‘ Committee ist er weiterhin bestens vernetzt und bei allen entscheidenden Terminen live vor Ort dabei.

In einem sehr informativen Interview äußert sich Lutz Leif Linden zu allen wichtigen Themen, die aktuell die Welt der Formel 1 bewegen. Im zweiten Teil geht es um die Reglement-Änderungen der kommenden Saison, den neuen Rennteams, den Chancen auf einen zukünftigen Grand Prix von Deutschland sowie local heroes im Fahrerlager.

Die neue Formel-1-Saison wird eine echte Wundertüte. Das Reglement schreibt dann einen höheren Elektroanteil (50/50) bei den Motoren, 100 Prozent nachhaltigen Kraftstoff sowie kleinere (Breite von 200 auf 190 cm) und leichtere (-30 kg) Autos vor. Was versprechen Sie sich davon?

Ich glaube nicht, dass wir jetzt auf einmal alle Teams dicht beieinander erleben werden. Diese Form von Spannung sicher nicht, denn manche machen ihre Hausaufgaben besser als andere. Nach allem, was ich so höre, macht Mercedes beim Powertrain einen sehr guten Job. Also die dürften wieder vorne mit dabei sein. Auch für Ferrari sieht es ganz gut aus. Dagegen dürfte es Audi deutlich schwerer haben. Und bei Red Bull sehe ich noch ein Fragezeichen. Passt der neue Ford-Motor, basierend auf dem Honda-Triebwerk, mit den Red Bull-Ideen zusammen? Da bin ich sehr gespannt.

Neben Audi, die für Sauber übernehmen, wird es ein zweites neues Rennteam geben. Was erwarten Sie von Cadillac?

Ehrlich gesagt noch nicht allzu viel, da sie zunächst mit Ferrari-Power-Units fahren. Es wird erst interessant, wenn Cadillac ab 2029 mit einem eigenen Powertrain kommt. Aber sie stellen aktuell ein gutes Team zusammen und investieren auch eine Menge, wie mit dem neuen Hauptquartier. Und dass sie ein Top-Auto hinstellen können, haben Sie in der WEC (Anm. d. Red.: Langstrecken-WM) gezeigt. Ich denke, das wird schon funktionieren.

Wer könnte für eine Überraschung sorgen?

Also mich würde wirklich überraschen, wenn der Red Bull vom Motor her gleich vorne mit dabei wäre. Beim Chassis mache ich mir weniger Sorgen, aber ich vermute, dass dem Auto am Anfang ein wenig Leistung fehlen wird. Und wenn Audi gleich zu Beginn über das Mittelfeld hinauskommt, wäre das für mich auch überraschend.

In der neuen Saison starten elf Teams – also 22 Fahrer statt zuvor 20. Hat das irgendwelche Auswirkungen?

Im Rennen auf den meisten Strecken sicher nicht. Höchstens auf einem Stadtkurs wie Monaco, wo man jetzt schon kaum Überholmöglichkeiten hat. Eine Gefahr sehe ich jedoch im Qualifying. Da kommen die Jungs oft in der letzten Kurve vor Start und Ziel fast zum Stehen. Wenn dann einer auf seiner schnellen Runde von hinten angeflogen kommt, wird es schnell eng. In so einem Fall kann jedes Auto mehr zu viel sein, aber per se habe ich mit 22 Fahrern kein Problem.

Die Formel 1 war immer wieder Vorreiter bei technischen Neuerungen, auch für Straßenfahrzeuge. Sehen Sie aktuell eine Entwicklung, die in Kürze auch in Serienautos eingesetzt werden könnte?

Im Augenblick geht es da vor allem um Softwareentwicklung im Bereich Hybridisierung, also beispielsweise um Verbesserungen im Ladebereich und der Rekuperation, die zukünftig in die Serie kommen. Und man darf nicht vergessen: Wir fahren nächste Saison mit E-Fuels!

Das ist ein Feld, welches wir als AvD seit Langem pushen und noch deutlich stärker auch für die längerfristige Nutzung der aktuellen Straßenfahrzeuge berücksichtigt sehen wollen. Ja, es ist aktuell noch teuer, aber über Massenproduktion und sinkende Kosten für erneuerbaren Strom ließe sich das regeln. Unterm Strich bliebe ein klimaneutraler Antriebsstoff für die Bestandsflotte und bestehende Infrastruktur.

Mit Madrid kommt ein weiteres Stadtrennen in den Kalender, dafür scheidet die Traditionsstrecke Imola aus. Was ist das Besondere an Stadtrennen?

Naja, für die Zuschauer ist das natürlich genial. So dicht dran ans Auto, wie bei einem Stadtkurs, kommt man sonst nicht. Das sind dann Emotionen pur. Auf der anderen Seite bedeutet das aber auch besondere Anforderungen an die Fahrer. Die müssen zwei Stunden hochkonzentriert sein und können nicht mal eben über den Randstreifen fahren. Der kleinste Fehler bedeutet dann das Aus!

Nehmen wir als Beispiel Monaco. Da hat man eigentlich nur zwei Stellen, wo man überholen kann, und da muss der andere mitspielen. Wenn man ehrlich ist: Überholen, wenn der andere mitspielt, ist nicht so wirklich überholen. Daher lieben die Fahrer eher Strecken wie Suzuka oder Spa-Francorchamps, wo es Highspeed-Kurven gibt und sie auch richtig angreifen können.

Seit 2023 umfasst der Rennkalender 24 Rennen – es gab nie mehr. Wird er zukünftig weiter anwachsen?

Da gibt es sicher zwei Sichtweisen. Für Liberty Media, also die Rechteinhaber, und auch aus Veranstaltersicht gibt es natürlich das Bestreben, mehr Umsatz zu machen und mehr Geld ausschütten zu können. Das spricht also für mehr Rennen und ich glaube auch, dass man die F1 gerne in diese Richtung entwickeln will. Das Beispiel hierfür ist die NASCAR in den USA mit 36 Rennen im Jahr. Aktuell hat man in der F1 noch eine Urlaubspause im August und man muss auch bedenken, dass die Teams ohnehin mit zwei vollen Fahrzeugcrews arbeiten. Besonders Personal, das stark körperlich arbeitet, soll hier entlastet werden und das hat auch einen Sicherheitsaspekt. Aber daraus ergibt sich Freiraum für mehr Rennen.

Zudem gibt es seit einiger Zeit eine hohe Nachfrage, vor allem aus dem asiatischen Raum und dem Mittleren Osten. Aktuell hat man mehr Bewerber als Plätze in der Weltmeisterschaft und es gibt bereits erste Überlegungen hinsichtlich einer Rotation. Frankreich hat sich schon zurückgezogen, die Niederlande hat nächstes Jahr noch einen Grand Prix und geht dann raus. Also vielleicht ist so ein regelmäßiger Wechsel auch eine Chance für die Traditionsstrecken.

Wann wird es wieder ein Rennen in Deutschland geben und was muss dafür geschehen?

Das Problem ist, dass die Formel 1 in den letzten Jahren, auch durch Promotionsaktivitäten wie die Netflix-Dokus, einen extremen Zuspruch erfahren hat. Dadurch hat sich alles deutlich verteuert.

Ich habe die letzten drei deutschen Grand Prix als Chef noch begleiten dürfen und weiß daher ziemlich genau, was der Spaß kostet. Allein schon die Lizenzgebühren und etwaige Sicherheitskosten für solch eine Veranstaltung sind über die einzige Einnahmequelle, nämlich die Eintrittskarten, nicht zu decken. Hinzu kommt, dass sie in Deutschland für die Fahrer eine Quellensteuer abführen müssen. Und das, obwohl die alle woanders leben und nur vier Tage in Deutschland arbeiten. Das steht im krassen Gegensatz zu allen anderen Austragungsstätten, wo die Länder nicht die Hand aufmachen, sondern es sogar eine staatliche Förderung gibt.

Von welchen Summen sprechen wir hier?

Da reichen längst keine 20 oder 25 Mio. Euro mehr. Wenn also nicht irgendein super-mega Sponsor um die Ecke kommt, dann wird es nicht ohne Millionenförderung durch den Staat oder das Bundesland gehen. Ich glaube aber, dass das durchaus sinnvoll wäre. Wenn Sie überlegen, dass mit zweiwöchigem Aufbau, einer Woche Abbau und der internationalen Auslastung an den Renntagen die ganze Region über einen langen Zeitraum touristisch und wirtschaftlich profitiert, dann darf man das nicht unterschätzen.

Das Problem ist aber ein anderes: Selbst wenn die Bundesregierung entsprechende Finanzmittel zur Förderung bereitstellen könnte, geht man dort davon aus, dass dies der EU-Subventionspolitik widerspricht. Andere Länder finden jedoch Wege. Unterm Strich bleibt, dass sie heutzutage kein internationales Sportgroßereignis irgendwohin bekommen, wenn nicht der Staat komplett dahintersteht und es querfinanziert. Das gilt genauso für Olympische Spiele oder Fußball-Weltmeisterschaften. Wir sind immer im internationalen Wettbewerb und da können wir nur etwas erreichen, wenn wir all-in gehen, und zwar alle!

Nicht nur die zukünftigen Rennorte sind von großem Interesse, sondern natürlich auch die Fahrer von morgen. Sehen Sie eine Rennfahrerin am Horizont?

Bernie Ecclestone (Anm. d. Red.: Ex-F1-Chef) hat sich schon vor vielen Jahren eine Rennfahrerin gewünscht und ja, es gibt die F1 Academy und einige Frauen im GT- und Langstrecken-Motorsport. Aber für die Formel 1 sehe ich aktuell keine. Dabei spielt sicher auch eine Rolle, dass die körperlichen Anforderungen in einem F1-Cockpit immens sind. Man hat dort extreme Kräfte auszuhalten und das geht nur mit einer gut ausgeprägten Muskulatur und entsprechender Physiognomie. Übrigens gibt es diesen Wettbewerb so auch nicht in anderen Sportarten. Im Tennis gibt es maximal Mixed-Teams, aber ein direktes Aufeinandertreffen von Boris Becker und Steffi Graf gab es nach meinem Wissen vielleicht nur bei Showmatches.

Wie sieht es mit dem deutschen Nachwuchs aus?

Um ehrlich zu sein, nicht besonders gut. In der Formel 2 sehe ich aktuell keinen, der so richtig durchstartet, und auch in der Formel 3 haben unsere zwei Talente (Anm. d. Red.: Oliver Goethe und Tim Tramitz) noch einen langen Weg vor sich. Eine gezielte Nachwuchsförderung, wie es sie früher gab, als der nationale Motorsportverband und die großen deutschen Hersteller Fördermittel in einen großen Topf gaben, gibt es nicht mehr. Ich bedaure das sehr, denn es hat super funktioniert. Die damalige Deutsche Post Academy hat viel Geld in die Hand genommen und Talente sportlich, psychisch und auch in Sachen Medientraining hervorragend entwickelt. Fahrer wie Nico Hülkenberg oder auch Pascal Wehrlein (Anm. d. Red.: Ex-F1-Fahrer und Formel-E-Champion 2024) sind daraus hervorgegangen. Da sind wir aber wieder bei dem Thema von vorhin: Es braucht Entscheidungsträger mit Herzblut und Ambitionen, die ihre Schatulle aufmachen. Wir wissen grundsätzlich, wie es geht. Man braucht halt nur einen langen Atem und dann können wir auch wieder local heroes entwickeln.

Der erste Teil des Interviews wurde am 19. November 2025 auf der AvD Website veröffentlicht.

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