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Kommentar: Ein rabenschwarzer Tag für die Demokratie

Düsseldorf (ots)

Wenn es nicht so schlimm für die Kultur der Demokratie in unserem Lande wäre, müsste man der AfD fast zu ihrem politischen Coup in Thüringen gratulieren. Da tritt die Rechtsaußen-Partei mit einem eigenen Kandidaten im dritten und entscheidenden Wahlgang zum Ministerpräsidenten an und gibt ihm keine einzige Stimme. Dafür wird der Freidemokrat Thomas Kemmerich mit den Stimmen von FDP, CDU und AfD gewählt - ein Szenario, das die bürgerlichen demokratischen Parteien unbedingt vermeiden wollten. Natürlich führt die AfD mit der Nichtwahl ihres Kandidaten demokratische Prinzipien ad absurdum. Aber darin hat sie bekanntlich Übung. Dass Christdemokraten und Liberale dermaßen tapsig in eine offensichtliche Falle treten, spricht nicht für die politische Reife ihrer Protagonisten vor Ort. Der Schaden für die Demokratie, insbesondere in Ostdeutschland, ist gewaltig. Die AfD hat es geschafft, dass nun ein Kandidat mit ihrer Hilfe gewählt wurde. Das entspricht ihrer Propaganda von einer "bürgerlichen Mehrheit im Lande". Und es ist eine Schande, dass der FDP-Kandidat die Wahl annimmt, obwohl er wissen muss, dass er ohne die AfD keine funktionsfähige Regierung bilden kann. Und auf deren Mitwirkung will er ja nach eigener Aussage verzichten, oder etwa nicht? Offenbar braucht es keine AfD, um die Reputation von FDP und CDU zu erschüttern. Das schaffen deren Landesverbände schon allein. Gefragt sind jetzt die Spitzen der demokratischen bürgerlichen Parteien. Sie müssen verhindern, dass der Eindruck entsteht, es gebe doch eine klammheimliche Zusammenarbeit mit der im Osten so erstarkten AfD. Bislang sind die Aussagen der Parteichefs Christian Lindner (FDP) und Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), man dürfe nicht mit der AfD zusammenarbeiten, noch wohlfeile Bemerkungen. Sie müssen sie auch vor Ort durchsetzen. Gerade der AfD-Ableger in Thüringen ist in Teilen offen rechtsradikal. Der Landesvorsitzende Björn Höcke vertritt völkisches Gedankengut und hat sich nie eindeutig vom Nationalsozialismus distanziert, ja sogar teilweise dessen Wortwahl übernommen. CDU und FDP können sich auch nicht damit herausreden, dass es nur um die Wahl eines bürgerlichen Kandidaten gegangen wäre. Denn egal welche Version des Geschehens richtig ist, ob es tatsächlich ein Betriebsunfall war, eine politische Finte oder gar eine Absprache mit der AfD - die bürgerlichen Parteien in Thüringen haben ihren selbstgesteckten Ansprüchen nicht genügt. Der thüringische CDU-Parteichef Mike Mohring, der sich mit der FDP darauf verständigt hatte, im dritten Wahlgang einen bürgerlichen Kandidaten zu unterstützen, hätte mit dem Schwenk der AfD rechnen müssen. Das war für die Rechtspopulisten doch eine einmalige Gelegenheit, es den Demokraten zu zeigen. Er hätte sich mit Rückendeckung der Bundes-CDU auf eine Strategie festlegen müssen, die jeden Anschein eines Zusammengehens mit der AfD vermeidet, selbst wenn das am Ende dem Amtsinhaber Bodo Ramelow von der Linkspartei genutzt hätte. Noch schlimmer wäre es, sollte es Absprachen zwischen CDU, FDP und AfD gegeben haben. Damit hätten Christ- und Freidemokraten endgültig ihre Glaubwürdigkeit verloren. Wenn die beiden Parteien mit ihrem Wahlverhalten auf Neuwahlen spekulieren, spielen sie mit demokratischen Institutionen. Das passt nicht zu Parteien, die sich wie CDU und FDP als Stabilitätsanker verstehen. Es ist wahr, dass die bürgerlichen Parteien vor allem in Ostdeutschland den Auftrag haben, sich als Vermittler demokratischer Werte und als Angebot für die Mitte zu präsentieren. Mit beidem sind sie in eine bedenkliche Schieflage geraten. Das ist umso misslicher, weil auch manche Linke um Ramelow Schwierigkeiten haben, sich von der DDR-Vergangenheit zu distanzieren. Auf die Demokratie in Thüringen und in Deutschland kommen schwere Zeiten zu. Unsere Institutionen und das gewachsene Bewusstsein für die Werte des Grundgesetzes werden dies hoffentlich aushalten. Eine Gewähr dafür gibt es nicht.

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