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Börsen-Zeitung: Was nun, Herr Seifert? Kommentar von Claus Döring zum Rückzug des Übernahmeangebots der Deutschen Börse für die Londoner Börse LSE

Frankfurt (ots)

Das hätte sich Werner Seifert nicht träumen
lassen: ausgerechnet er beziehungsweise die Deutsche Börse als
„Opfer“ des Kapitalmarktes. Der Vorstandsvorsitzende und sein
Aufsichtsratsvorsitzender Breuer haben sich dem wachsenden Druck der
Aktionäre gebeugt und die Übernahmepläne für die Londoner Börse LSE
begraben. Scheiterte die Fusion beider Börsen vor vier Jahren noch an
den traditionellen Anteilseignern und Stakeholdern an Main und
Themse, ist das Aus für eine Neuauflage vor allem den auf Shareholder
Value getrimmten Aktionären zu verdanken. Letztere hat sich
Zauberlehrling Seifert mit dem Börsengang ins Aktionariat geholt.
Jetzt musste er rufen: „Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die
Geister, werd ich nun nicht los.“
Der Rückzieher Seiferts ist konsequent, ja zwangsläufig: nachdem
die LSE keine Unterstützung seines Vorhabens in Aussicht stellte
(besser: stellen konnte!), hätte Seifert weder freundlich noch
feindlich weiter um seinen Schatz in London werben und bieten können.
Seifert hatte keinen Spielraum für weitere Brautgeschenke an die LSE,
nachdem das bisher Aufgebotene den Aktionären der Deutschen Börse
schon zu weit ging. In London hätte LSE-Chefin Clara Furse überdies
befürchten müssen, dass Werner Seifert ihr von seinen eigenen
Aktionären noch in der Hochzeitsnacht aus dem Ehebett gezerrt würde.
Seifert hatte in London gute Vorarbeit geleistet. Aber er hat es
nicht vermocht, seine eigenen Aktionäre von der Strategie der
Verwaltung zu überzeugen. Er muss sich selbst fragen, wie glaubwürdig
er künftig nach außen und innen eine zwangsläufig andere Strategie
der Deutschen Börse AG entwickeln und vorantreiben kann. Und er muss
sich fragen, inwieweit er hierfür das Vertrauen seiner Aktionäre
genießt oder gewinnen kann. Die Rückendeckung des amtierenden
Aufsichtsrats ist zu wenig.
Nicht der Rückzug an sich, aber die Umstände des Rückzugs
beunruhigen. Hedgefonds haben es geschafft, die Strategie eines Dax-
Unternehmens zu Fall zu bringen und die Gesellschaft zum Auskehren
ihrer Liquidität zu veranlassen. Das wird, ja das muss viele
Vorstände alarmieren, nicht nur hierzulande. Gewiss,
Aktiengesellschaften gehören den Aktionären. Aber genau so, wie eine
Demokratie „wehrhaft“ sein und sich vor ihren Feinden schützen muss,
braucht eine Aktiengesellschaft Schutz vor Ausplünderern.
(Börsen-Zeitung, 8.3.2005)

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