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Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft

Deutschland braucht mehr China-Kompetenz

Berlin (ots)

Bestand der deutschen Direktinvestitionen in China elfmal so hoch wie der der chinesischen in Deutschland - Noch immer Beschränkungen für deutsche Direktinvestitionen in China - Wissenschaftskooperationen mit China stellen für deutsche Forschende eine Herausforderung dar - China-Kompetenzstelle für Wissenschaft und Forschung notwendig

Das neue Jahresgutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), das der Bundeskanzlerin heute in Berlin übergeben wurde, betrachtet den Wissens- und Technologieaustausch zwischen Deutschland und China. Der Vorsitzende der Kommission, Prof. Uwe Cantner von der Universität Jena, verweist darauf, dass sich die Volksrepublik China "zu einer der weltweit führenden Wirtschaftsnationen und einem der wichtigsten Handelspartner Deutschlands entwickelt" hat. Die chinesische Regierung arbeite konsequent daran, "durch eine ausgeprägte staatliche Steuerung die regionale und globale Machtposition des Landes zu stärken. Dazu verfolgt sie auch das Ziel, in den kommenden Jahren die Technologieführerschaft in entscheidenden Zukunftsbranchen zu erwerben und zum weltweit führenden Innovationsstandort aufzusteigen." Deutschland habe ein großes Interesse an guten Kooperationsbeziehungen mit dem aufstrebenden Innovationsstandort China, so Prof. Cantner weiter. Es gebe aber Sorgen, dass durch einseitigen Abfluss von wissenschaftlichem und innovations- oder sicherheitsrelevantem Know-how und ungleiche Wettbewerbsbedingungen die wissenschaftliche und wirtschaftliche Leistungskraft Deutschlands geschwächt werden könnten.

Chinesische Direktinvestitionen in Deutschland stark gewachsen

In den letzten zehn Jahren hat der Bestand an chinesischen Foreign Direct Investments (FDI = ausländische Direktinvestitionen) in Deutschland stark zugenommen. Der 2017 erreichte Wert von 7,8 Milliarden Euro lag aber immer noch sehr deutlich unter dem FDI-Bestand in Deutschland aus anderen EU-Ländern (320 Milliarden Euro) und den USA (98 Milliarden Euro).

Die Sorge, dass die Übernahme durch chinesische Investoren deutsche Unternehmen in ihrer Leistungskraft schwächt, erscheint laut der Kommission mit Blick auf die Daten aber bislang wenig begründet. So kommt eine von der Kommission in Auftrag gegebene empirische Studie zu dem Schluss, dass sich deutsche Unternehmen, die zu mehr als 50 Prozent oder vollständig von chinesischen Investoren übernommen wurden, im Hinblick auf die Beschäftigtenzahl, den Umsatz und die Patentanmeldungen nach der Übernahme nicht anders entwickelt haben als von anderen internationalen Investoren übernommene Unternehmen. Eine im Auftrag der EFI durchgeführte Datenauswertung zu FuE-Tätigkeiten zeigt, dass Unternehmen, die von chinesischen Investoren übernommen wurden oder eine chinesische Beteiligung aufweisen, ihre FuE-Ausgaben und ihr FuE-Personal nicht verringern. Dennoch gibt die Expertenkommission zu bedenken, dass Unternehmensbeteiligungen und -übernahmen durch chinesische Investoren grundsätzlich mit der Möglichkeit einer politstrategischen Einflussnahme verbunden sind.

Politische Hürden für Direktinvestitionen deutscher Firmen in China

Der Bestand deutscher FDI in China hat seit Anfang der 2000er Jahre deutlich zugenommen und erreichte 2017 einen Wert von 86 Milliarden Euro. "Damit waren diese FDI zuletzt etwa elfmal so hoch wie chinesische Direktinvestitionen in Deutschland", erklärt Prof. Katharina Hölzle vom Hasso-Plattner-Institut an der Universität Potsdam und stellvertretende Vorsitzende der Expertenkommission. Mehrheitsbeteiligungen und Übernahmen chinesischer Unternehmen durch deutsche Investoren seien aber nach wie vor die Ausnahme.

"Die Aktivitäten deutscher Unternehmen in China wurden bisher durch Beschränkungen der FDI behindert", stellt Prof. Cantner fest. Mit dem am 1. Januar 2020 in Kraft getretenen Investitionsgesetz sollen die in China bestehenden regulatorischen Hemmnisse für FDI abgebaut werden. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie diese Lockerungen in der Praxis umgesetzt werden. Neben den ungleichen Rahmenbedingungen für FDI sehen deutsche Unternehmen die Durchsetzung von Rechten an intellektuellem Eigentum auf dem chinesischen Markt weiterhin als eine zentrale Herausforderung an.

Herausforderungen für Wissenschaftskooperationen zwischen Deutschland und China

Mit der wachsenden wissenschaftlichen Bedeutung Chinas ist auch die Anzahl der Wissenschaftskooperationen zwischen Deutschland und China deutlich gestiegen. "Auch hier stellt sich eine Reihe von Herausforderungen", konstatiert Prof. Hölzle. Die Auswahl von geeigneten institutionellen chinesischen Partnern sowie die Anbahnung und Gestaltung von Kooperationsverträgen gestalteten sich häufig schwierig. Dazu würden auch mangelnde Sprach- und Rechtskenntnisse sowie kulturelle Unterschiede beitragen. Derzeit gebe es in Deutschland keine zentrale Anlaufstelle, die systematisch Informationen zu Problemen von deutsch-chinesischen Wissenschaftskooperationen sammelt und auswertet, um Forschende zu informieren und aufzuklären.

Mangelnde China-Kompetenz in Deutschland

Nach Einschätzung der Expertenkommission braucht ein produktiver wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Austausch mit China Köpfe, die mit der chinesischen Sprache und Kultur gut vertraut sind, aber auch die Märkte, institutionellen Rahmenbedingungen und politischen Strukturen dort gut kennen. "Eine solche umfassende China-Kompetenz ist in Deutschland bisher aber kaum anzutreffen", kritisiert Prof. Holger Bonin vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn und Mitglied der Expertenkommission. Dieser Mangel betreffe Wissenschaft und Wirtschaft. Er sei aber von großen Unternehmen häufig leichter zu bewältigen als von kleinen und mittleren Unternehmen und von Hochschulen.

Gleiche Wettbewerbsbedingungen für deutsche und chinesische Unternehmen schaffen

Die Expertenkommission empfiehlt der Bundesregierung, sich nachdrücklich für gleiche Wettbewerbsbedingungen bei Direktinvestitionen für deutsche und chinesische Unternehmen einzusetzen. Darüber hinaus befürwortet sie die Pläne des BMWi, Unternehmensübernahmen durch ausländische Investoren im Bereich sensibler Technologien umfassender zu prüfen. Dafür sollten die hierbei einbezogenen Technologiebereiche zunächst benannt sowie klare und transparente Prüfkriterien entwickelt werden.

Wissenschaftliche Kooperationen mit China zu beiderseitigem Nutzen gestalten

Die Expertenkommission spricht sich ferner für die Einrichtung einer zentralen Kompetenzstelle zur Beratung deutscher Wissenschaftler aus. Die Kompetenzstelle sollte auch Kapazitäten vorhalten, um den erhöhten Informations- und Beratungsbedarf von KMU bei deutsch-chinesischen Forschungsprojekten zu decken. Forschung und Lehre, die zum Verständnis von aktuellen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen in China beitragen, sollten gestärkt werden. Hierbei ist auf die Vermittlung von guten Kenntnissen der chinesischen Sprache zu achten. Darüber hinaus sollte es einen intensiven und kontinuierlichen Austausch über die Rahmenbedingungen und Perspektiven der Wissenschaftskooperation zwischen Deutschland und China geben, der mit den europäischen Partnern abgestimmt ist. _____________________________________________________________________

Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) mit Sitz in Berlin leistet seit 2008 wissenschaftliche Politikberatung für die Bundesregierung und legt jährlich ein Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands vor. Wesentliche Aufgabe der EFI ist es dabei, die Stärken und Schwächen des deutschen Innovationssystems im internationalen und zeitlichen Vergleich zu analysieren und die Perspektiven des Forschungs- und Innovationsstandorts Deutschland zu bewerten. Auf dieser Basis entwickelt die EFI Vorschläge für die nationale Forschungs- und Innovationspolitik.

Anhang: Daten und Fakten zur Bedeutung Chinas in der Welt der Wissenschaft und Forschung

   - Die FuE-Ausgaben Chinas haben sich von rund 33 Milliarden 
     US-Dollar im Jahr 2000 auf rund 496 Milliarden US-Dollar im Jahr
     2017 verfünfzehnfacht. China liegt damit bei den absoluten 
     FuE-Ausgaben nur noch hinter den USA und investiert inzwischen 
     im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt mehr in Forschung und 
     Entwicklung als die EU.
   - Bei forschungsintensiven Gütern ist China zum weltweit größten 
     Exportland aufgestiegen.
   - Der Anteil der Hochschulabsolventen an der Gesamtbevölkerung 
     wächst in China schneller als in wichtigen OECD-Staaten. Im Jahr
     2017 schlossen mehr als sieben Millionen Hochschulstudierende 
     ihr Studium ab, davon mehr als 40 Prozent in 
     naturwissenschaftlichen Fächern. Der rasante Anstieg der 
     Absolventenzahlen bringt den chinesischen Arbeitsmarkt 
     allerdings an die Grenzen der Aufnahmefähigkeit.
   - Der Anteil der Wissenschaftler an der Erwerbsbevölkerung ist ein
     weiterer Indikator für die Leistungsfähigkeit eines F&I-Systems.
     Dieser Anteil liegt in China trotz steigender Tendenz mit 0,2 
     Prozent immer noch deutlich unter dem OECD-Durchschnitt. In 
     Deutschland liegt der Anteil der Wissenschaftler an der 
     Bevölkerung bei etwa 1 Prozent, beim Spitzenreiter Südkorea 
     sogar bei 1,4 Prozent.
   - Für das Jahr 2018 wurden 355.000 wissenschaftliche Publikationen
     Wissenschaftlern mit Affiliation in China zugerechnet - eine 
     Steigerung gegenüber 2005 um das Fünffache. China hat damit 
     erstmals die USA als Land mit den meisten wissenschaftlichen 
     Publikationen überholt. Diese Steigerung war mit einer Zunahme 
     der durchschnittlichen Publikationsqualität verbunden. Die 
     Exzellenzrate chinesischer Publikationen stieg von 2005 bis 2016
     von 6,7 auf 9,7 Prozent. Sie lag damit zuletzt über der 
     Exzellenzrate japanischer (5,8) und südkoreanischer 
     Publikationen (6,3), jedoch noch unter der Exzellenzrate 
     deutscher (10,9 Prozent), US-amerikanischer (13,2) und 
     britischer Publikationen (13,5 Prozent).
   - Auch die Anzahl der transnationalen Patentanmeldungen Chinas ist
     seit 2005 massiv gestiegen. Mit fast 52.000 transnationalen 
     Patentanmeldungen lag China im Jahr 2017 vor Deutschland 
     (30.000), jedoch noch hinter den USA (64.000) und Japan 
     (54.000). Pro eine Million Einwohner wurden 2015 in China 
     allerdings lediglich rund 69 transnationale Patente angemeldet. 
     In Japan (826), Deutschland (730) und den USA (404) waren es 
     deutlich mehr. Die chinesischen transnationalen 
     Patentanmeldungen konzentrieren sich insbesondere auf 
     Informations- und Telekommunikationstechnologien. Es gibt 
     Indizien dafür, dass die Qualität der chinesischen 
     transnationalen Patentanmeldungen im Durchschnitt noch eher 
     niedrig ist. Dafür spricht, dass sie im Ausland vergleichsweise 
     wenig zitiert werden. Inhaltlich betrachtet, geben sie häufig 
     nur den aktuellen Stand der Technik wieder oder beschreiben 
     einfache technische Lösungen.

Pressekontakt:

Für Presseanfragen:
Dr. Helge Dauchert (Leiter der EFI-Geschäftsstelle)
E-Mail: helge.dauchert@e-fi.de +++ Tel: 030 / 322 982 562 +++
www.e-fi.de

Original-Content von: Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, übermittelt durch news aktuell

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