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Merkel-Satz über "Art des Lebens" sinnentstellend gekürzt

Berlin (ots)

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat auf dem Weltwirtschaftsforum mehr Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel angeregt. Im Netz wird verbreitet, sie habe in ihrer Rede in Davos gesagt: "Unsere gesamte Art des Lebens werden wir in den nächsten 30 Jahren verlassen." Mit Kommentaren wie "bunt, arm, rückständig" wird der Eindruck erweckt, die CDU-Politikerin beziehe sich auf die gesamte Gesellschaft in Deutschland und schließe etwa auch Migration oder Einkommensentwicklung ein (http://dpaq.de/9CgVM).

BEWERTUNG: Der verbreitete Satz ist eine massive Kürzung Merkels eigentlicher Aussage. In ihrer Rede spricht Merkel an dieser Stelle über Innovation und die Zukunft Europas sowie über neue Wertschöpfungsformen mit Blick auf Digitalisierung und Klimaschutz.

FAKTEN: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat am 23. Januar 2020 auf der Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums im schweizerischen Davos die Bedeutung des Klimaschutzes als Existenzfrage betont: "Die Frage der Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens könnte eine Frage des Überlebens für den ganzen Kontinent sein."

Für Europa bedeute das 2015 in Paris beschlossene Ziel, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf 1,5 Grad zu begrenzen, dass man bis 2050 "klimaneutral" sein müsse - also keine Treibhausgase mehr ausstoße und nicht vermeidbare Emissionen ausgleiche. In diesem Zusammenhang fallen folgende Sätze:

"Das sind natürlich Transformationen von gigantischem, historischem Ausmaß. Diese Transformation bedeutet im Grunde, die gesamte Art des Wirtschaftens und des Lebens, wie wir es uns im Industriezeitalter angewöhnt haben, in den nächsten 30 Jahren zu verlassen." Wie im Transkript der Merkel-Rede nachzulesen ist (http://dpaq.de/9yVNo), fordert die Kanzlerin an dieser Stelle mit Blick auf industrielle Produktion und Digitalisierung, "zu völlig neuen Wertschöpfungsformen zu kommen".

Ähnliche Vorstellungen über die Zukunft der Industrie haben auch andere Parteien in Deutschland. So prognostiziert zum Beispiel die AfD (http://dpaq.de/MdiK7): "Die Auswirkungen des digitalen Wandels werden dagegen tiefgreifender sein. Unsere Wirtschaft und unser gesellschaftliches Miteinander werden sich genauso nachhaltig verändern wie unsere Sozial- und Arbeitsordnung." Auch Grüne (http://dpaq.de/oZYuh) und Linke (http://dpaq.de/FGGu5) sehen künftig grundlegende Veränderungen bei Industrie infolge der Digitalisierung.

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Links:

Transkript der Merkel-Rede in Davos vom 23.1.2020: https://www.bundeskanzlerin.de/bkin-de/aktuelles/rede-von-bundeskanzlerin-merkel-beim-50-jahrestreffen-des-weltwirtschaftsforums-am-23-januar-2020-in-davos-1715534 (archiviert: http://dpaq.de/wG1gc)

AfD über digitale Veränderungen: https://www.afdbundestag.de/arbeitskreise/digitale-agenda/ (archiviert: http://dpaq.de/B051j)

Grüne über digitale Veränderungen: https://cms.gruene.de/uploads/documents/20200106_Gruene_Beschluss_Wirtschaft.pdf (archiviert: http://dpaq.de/gc0UC)

Die Linke über digitale Veränderungen: https://www.die-linke.de/themen/digitalisierung/10-punkte-fuer-eine-digitale-agenda/ (archiviert: http://dpaq.de/9Ez3n)

Facebook-Post mit sinnentstelltem Merkel-Zitat: https://www.facebook.com/Lautsprecher01/photos/a.510818795951121/1016974595335536 (archiviert: http://dpaq.de/r4lnv)

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Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com

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