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"Report Mainz", heute, 17. April 2012, 21.45 Uhr im Ersten
Klagewelle von Anwohnern gegen Kita-Ausbau ebbt nicht ab
Politiker von CDU, SPD und Grünen kritisieren Entwurf für neues Baurecht

Mainz (ots)

Nachdem in Deutschland gegen Kinderlärm nicht mehr geklagt werden kann, versuchen Nachbarn, Kindertagesstätten mit neuen legalen Tricks zu verhindern. Darüber berichtet das ARD-Politikmagazin "Report Mainz" heute Abend um 21.45 Uhr im Ersten und zeigt aktuelle Fälle. Kommunalpolitiker berichten, immer häufiger richteten sich Klagen gegen den Hol- und Bringverkehr von geplanten Kindertagesstätten. Politiker von CDU, SPD und Grünen sehen im Widerstand von Anwohnern eine Gefahr für den geplanten Kita-Ausbau.

Alleine in München gibt es zurzeit acht Kita-Projekte, gegen die Anwohner klagen. Im Interview mit "Report Mainz" berichtet die Münchner Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD): "Gegen Kinderlärm an sich kann nicht mehr geklagt werden, deswegen ist jetzt der neueste Trend, dass man gegen die verkehrliche Situation, zum Beispiel den Verkehrslärm oder den Hol- und Bringverkehr, klagt. Leider auch mit Erfolgsaussichten." Erst vor kurzem sei ein Kita-Projekt in München gescheitert, weil Anwohner gegen den zusätzlichen Verkehr erfolgreich klagten.

Der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Klimke räumt im Interview mit "Report Mainz" ein, dass die Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Klagen gegen Kitas verhindern sollte ("Kinderlärm-Gesetz"), nur wenig gebracht habe, um Nachbarschaftsklagen gegen Kindertagesstätten zu verhindern: "Es werden immer neue Schlupflöcher gefunden, es werden immer neue, kleinkarierte Bedenken in den Raum gestellt. Das ist eine Katastrophe für uns alle. Die Politik hat versucht, etwas zu regeln, auch einen großen Schritt gemacht für die Zukunft von solchen Einrichtungen in Wohngebieten. Das funktioniert offensichtlich nicht."

Die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Ekin Deligöz, sagt im Interview mit "Report Mainz": "Leider ist es so, dass den Anwohnern immer wieder neue Sachen einfallen. Wenn es nicht das Bundes-Immissionsschutzrecht ist, ist es das Baugesetzbuch, wenn es nicht das Baugesetzbuch ist, ist es die Anfahrt der Eltern oder Denkmalschutzvorrichtungen oder Umbaumaßnahmen in den Einrichtungen. Es gibt immer wieder Gründe bis hin zum Wertverlust des Grundstückes, des Wohngebietes, die eingebracht werden, weshalb Anwohner dagegen klagen. Das ist bedauerlich."

Auch die familienpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Caren Marks, beobachtet, dass Anwohner trotz des so genannten "Kinderlärm-Gesetzes" neue Wege finden, um Kitas auf dem Klageweg zu verhindern: "In der Tat, es gibt leider immer mehr Menschen, die Kinderlachen nicht als Zukunftsmusik empfinden, sondern als störenden Lärm. Das finde ich sehr bedauerlich. Die Menschen sind erfindungsreich, wenn sie eine Kita in ihrer Nähe verhindern wollen. Und wenn man mit dem Immissionsschutzgesetz, was ja geändert wurde, nicht mehr weiterkommt, dann versucht man eben, eine andere Karte zu ziehen, und das ist leider ein Trend, Kinder nicht mitten in der Gesellschaft haben zu wollen."

Oppositionspolitiker von SPD und Grünen und das Deutsche Kinderhilfswerk fordern die Bundesregierung angesichts des gewünschten Kita-Ausbaus auf, im Baurecht so schnell wie möglich für mehr juristische Klarheit zugunsten von Kitas zu sorgen. Der aktuell vorliegende Referentenentwurf des Bundesbauministeriums für eine Novellierung des Baurechts sieht bei der Neuregelung der Baunutzungsverordnung vor, Kitas künftig generell in reinen Wohngebieten nur dann zuzulassen, wenn sie den "typischerweise zu erwartenden Bedarf" des Wohngebiets "nicht wesentlich" übersteigen.

Gegen diese Größenbegrenzung laufen jetzt Oppositionspolitiker und das Deutsche Kinderhilfswerk Sturm, Kritik kommt aber auch aus den Reihen der CDU. Es wird eine neue Klagewelle gegen Kitas befürchtet. Grünen-Fraktionsvize Ekin Deligöz sagt im Interview mit "Report Mainz": "Im Augenblick tun sich meine Bundestagskollegen der Koalition sehr schwer damit, klare Regelungen anzubringen. Die Neuordnung der Baurechtsnovelle hat über zweieinhalb Jahre gebraucht, bis wir einen Referentenentwurf haben, und selbst in diesem Referentenentwurf ist die Ansage nicht klar genug, sondern es lässt Hintertüren offen, was zu neuen Klagewellen führen wird." Auch die familienpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Caren Marks, fordert, die Größenbegrenzung für Kitas in reinen Wohngebieten aufzuheben: "Also ich wünsche mir klipp und klar für den Referentenentwurf, dass er dahingehend verändert wird, dass Kitas generell in Wohngebieten zulässig sind ohne jedwede Einschränkung, weil jede Einschränkung eine Klagewelle provoziert."

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Klimke sieht die Größenbegrenzung für die Zulässigkeit von Kitas in reinen Wohngebieten ebenfalls sehr kritisch: "Ich sehe da im Gesetzgebungsverfahren noch Veränderungsbedarf. Wir müssen hier liberaler sein und müssen auch Kita-Einrichtungen, die größer sind, in Wohngebieten zulassen, die vielleicht nicht eine so große Einrichtung brauchten. Ich glaube, dass die Größenbegrenzung, dass man nur so viel bauen darf, wie das Umfeld erlaubt und notwendigerweise braucht, aufgehoben werden soll." Der Sprecher des Deutschen Kinderhilfswerks, Uwe Kamp, erklärt: "Ich befürchte, dass durch diese unbestimmten Rechtsbegriffe Klagen Tür und Tor geöffnet werden. Das heißt, dass Anwohnerinnen und Anwohner gegen Kitas klagen werden, dass Kitas geschlossen werden müssen. Deswegen sagen wir, Kitas müssen in reine Wohngebiete - ohne Wenn und Aber."

Weitere Informationen finden Sie auf www.reportmainz.de. Zitate gegen Quellenangabe frei.

Bei Rückfragen rufen Sie bitte in der Redaktion "Report Mainz" an unter Tel.: 06131/929-33351.

Original-Content von: SWR - Das Erste, übermittelt durch news aktuell

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