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Trainingswissenschaftler: "Self-Tracking kann selbstzerstörerische Impulse gegenüber der eigenen Person fördern"

Baden-Baden (ots)

Trainingswissenschaftler, Soziologe und Datenschutzbeauftragter über die Sucht nach Selbstoptimierung

Selbstoptimierung ist heute ein Thema für viele. Body-Tracking - die Protokollierung von Schlaf, Fitness oder anderer Körperaktivitäten durch Wearables oder Apps - liegt im Trend. Dabei werden häufig etwa Schritte gezählt oder die Jogging-Runde gemessen. Durch Ziffern oder Kilometerangaben wird die erbrachte Leistung messbarer und vergleichbarer - wo Fitness an sich ein schwer ermittelbarer Begriff ist.

Gefahr der Ziel-Mittel-Verwechslung

Die Messbarkeit motiviert, bietet aber auch Risiken, weiß Trainingswissenschaftler Lars Donath von der Sporthochschule Köln: "Die meisten denken, jetzt hat man so ein Gerät gekauft und jetzt wird man da unterstützt, weil Schritte und Kalorien gezählt werden. Das ganze Self-Tracking ist aber ein Risiko, weil das selbstzerstörerische Impulse gegenüber der eigenen Person fördern kann. Man bekommt das Gefühl, man muss noch mehr laufen, noch mehr verbrennen. Deshalb ist es wichtig, dass das therapeutisch abgesprochen wird und nicht einfach genutzt wird und jeder es für sich macht, wie er es für richtig hält." Denn die Zahlen könnten auch Druck ausüben. Im Mittelpunkt stünde nicht mehr nur das Ziel, wie der Muskelaufbau oder die Verbesserung der Fitness, sondern auch die Zahl, etwa ein bestimmtes Gewicht oder eine gewisse Geschwindigkeit. Hierbei spricht der Sportwissenschaftler von der Ziel-Mittel-Verwechslung. Das Self-Tracking, welches eigentlich nur Mittel zum Erreichen eines Ziels war, wird zum neuen Ziel.

Veränderte Wahrnehmung durch Body-Tracking

Auch Stefan Selke, Soziologe und Body-Tracking-Experte verweist auf die Gefahren dieser Art der Selbstoptimierung: "Wir tragen sie am Arm, wir tragen sie in der Tasche, und wir können uns sehr schnell der Illusion hingeben, dass die Welt doch kontrollierbar ist, zumindest der Ausschnitt aus der Welt, der uns am meisten interessiert, nämlich uns selbst." Auch wohin dies führen kann, erläutert Selke: "Wir beobachten ein De-Skilling. Was passiert ist, dass wir unsere Wahrnehmung verändern, dass wir unser Körpergefühl verändern und nicht mehr auf uns hören. Dass wir Dinge, die wir eigentlich intuitiv ableiten könnten, ob etwas zu viel, zu wenig, angemessen ist, das überlassen wir jetzt dem vordefinierten Maß."

Konstante Datenerhebung

Auch der Datenschutz ist beim Self-Tracking ein wichtiges Thema. In kaum einem anderen Bereich werden konstant so viele Daten erhoben. Die Werbeindustrie interessiert sich aber nicht für die gegangenen Schritte oder die letzte Joggingrunde - sondern für abgeleitete Rückschlüsse auf das Leben der Personen, die Body-Tracking-Anwendungen nutzen und die Daten hinter den Daten. Der stellvertretende Landesbeauftragte für Datenschutz in Rheinland-Pfalz, Helmut Eiermann, rät deshalb dazu, immer zu überprüfen, was mit den Daten in einer App passiert. So hat man selbst in der Hand, welche Daten weitergegeben werden.

"Body-Tracking - die Sucht nach Selbstoptimierung" am 30. Mai in SWR3 und auf SWR3.de

Für das Schwerpunktthema "Body-Tracking - die Sucht nach Selbstoptimierung" hat SWR3 mit Experten und Anwender:innen gesprochen - zu hören ab Montag, 30. Mai 2022 in SWR3, auf SWR3.de, in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt. Auf SWR3.de steht der Schwerpunkt in der neuen Podcast-Reihe "SWR3 Report" ebenfalls ab dem 30. Mai zur Verfügung. Der "SWR3 Report" nimmt sich dem Thema in einer speziellen Erzählform an, die für das Hören von Podcasts ausgelegt ist.

Zitate bei Verwendung der Quelle SWR3 frei.

Informationen, kostenloses Bildmaterial und weiterführende Links unter http://swr.li/self-tracking-2022

Pressekontakt: Corinna Scheer, Tel. 07221 929 22986, 0172 7500791, corinna.scheer@SWR.de

Original-Content von: SWR - Südwestrundfunk, übermittelt durch news aktuell

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