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Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Thüringen

Bielefeld (ots)

CDU und FDP lassen sich in Thüringen von der AfD vorführen, und die Schockwellen erschüttern die gesamte Republik. Es ist ein beispielloser Akt politischer Verantwortungslosigkeit, der sich gestern im Erfurter Landtag zugetragen hat. Übrig bleibt ein einziger Scherbenhaufen, von dem keiner weiß, ob und wie er wieder zu beseitigen sein könnte.

SPD, Grüne und Linke sprechen zu Recht von einem Dammbruch. Denn das Debakel kam mit Anlauf: Susanne Hennig-Wellsow, die Landesvorsitzende der Linken, hatte schon vor dem dritten Wahlgang vor einer "Finte" der AfD-Fraktion gewarnt. Die Nominierung eines dritten Kandidaten sei deshalb auch "katastrophal". Dass sie dem neuen Ministerpräsidenten den für Bodo Ramelow gedachten Blumenstrauß vor die Füße warf, ist zwar ebenfalls kein guter politischer Stil, menschlich aber verständlich.

Überraschungssieger Thomas Kemmerich wird an seinem Amt kaum Freude haben. Zwar muss niemand an der Rechtmäßigkeit dieser Wahl zweifeln und auch nicht an der demokratischen Gesinnung des 54-jährigen FDP-Politikers. Doch der Makel, der fortan an Kemmerich haftet, ist durch nichts aus der Welt zu schaffen. Umso unverständlicher, dass er die Wahl annahm.

Eine besonders schlechte Figur machte auch die CDU - und zwar in Erfurt wie in Berlin. Gewiss gab es gute Gründe für den thüringischen Spitzenmann Mike Mohring, sowohl eine Koalition mit der Linken als auch eine förmliche Tolerierung einer Minderheitsregierung auszuschließen. Damit aber haben die Christdemokraten die Tür erst geöffnet für den Taschenspielertrick, für den sich die AfD nun feiert. Denn es ist ja ein Treppenwitz der Geschichte, dass Kemmerich gewählt worden ist wie Mohring keinesfalls gewählt werden wollte. Im Konrad-Adenauer-Haus dürfte das Entsetzen entsprechend groß sein. Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer wird schäumen.

Die Art und Weise, wie die Alternative für Deutschland ihren Coup genießt, zeigt indes unmissverständlich, wie es um die Gesinnung von Björn Höcke und Co. bestellt ist. Doch erstens ist diese Erkenntnis nicht neu, und zweitens ist der AfD vieles vorzuwerfen, gewiss aber nicht die grenzenlose Naivität von CDU und FDP.

Und was, wenn es am Ende gar keine Naivität war? Man kann natürlich nichts beweisen und würde jeden Hauch eines Verdachts liebend gern ausschließen. Aber kann man es auch? Doch so oder so: Die politische Kultur unseres Landes hat einen brutalen Tiefschlag erlitten, der lange nachwirken wird.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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