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Westfalen-Blatt

Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Literaturnobelpreis:

Bielefeld (ots)

Herta Müller schreibt in ihrem Schlüsselwerk
»Atemschaukel« von Zement, gefrorenen Kartoffelschalen und einem 
Hungerengel, der eiskalt über gestanzten Sätze geistert. Die gestern 
geehrte Literaturnobelpreisträgerin rückt schier Unmögliches in den 
Blick.
Ausgerechnet eine Angehörige der Volksgruppe der Banater Schwaben, 
Tochter eines ehemaligen SS-Manns und als Rumäniendeutsche nach 1945 
im falschen Teil Europas geboren, thematisiert Stalins massenmordende
Lagerwelt.
 Das schaffte in der Nobelpreisliga erst einer: Alexander 
Solschenizyn (»Archipel Gulag«). Dank der Entscheidung des 
Nobelpreis-Komitees wird erstmals deutsches Leid nach dem Ende des 
Zweiten Weltkriegs auf die literarische Weltbühne gehoben. 
Außergewöhnlich.
Denn: Eine Vertriebene, eine nach ihrer Flucht 1987 in Berlin nicht 
wohl gelittene, erst 1989 in Paderborn mit ihrer ersten Gastdozentur 
aufgenommene Nischenschreiberin hätte hierzulande kaum die Beachtung 
der vornehmlich linksliberalen Intelligenz gefunden.
Normalerweise droht die Abschiebung ins rechte Eck Autoren, die mit 
dem Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung (2004) und dem 
Franz-Werfel-Menschenrechtspreis (2009) von Erika Steinbachs Zentrum 
gegen Vertreibung dekoriert werden. Nicht so im Fall Herta Müller.
Die brutal schlicht und zugleich wunderbar freidenkerisch 
formulierende Schriftstellerin erzählt Fakten, denen sich keiner 
entziehen kann. Zwangsarbeit im grausamen Detail wird bei ihr ebenso 
Poesie wie ihre Hauptfigur in der »Atemschaukel«, ein junger 
Deutschrumäne, der zunächst neugierig, fast voll freudiger Erwartung 
in den sowjetischen Gulag zieht.
Wie in ihren Romanen gibt Müller dem Paradoxen in der Tagespolitik 
Raum. Ohne falsche Rücksicht nennt sie die chinesische Führung eine 
Diktatur und spottet über westliche Politiker, die vor Peking 
katzbuckeln.
Der rumänische Geheimdienst hat Müller lange zugesetzt, dieser Tage 
legte ihr damaliger Beschatter sogar noch ungestraft nach (»hat eine 
Psychose«). Deshalb kann Müller gar nicht zwischen Literatur und 
Politik trennen: »Mir ist am wichtigsten, dass ein Thema diesen Preis
bekommen hat, und das Thema ist die Diktatur und die systematische 
und planmäßige Zerstörung von Menschen«.
 Herta Müller steht für den vernachlässigten Teil deutschen 
Kulturschaffens. Wer die Autorin etwa im Rummel der Frankfurter 
Buchmesse erlebt hat, weiß um die Zerbrechlichkeit und mediale 
Distanz dieser zierlichen, aber schriftgewaltigen Person. Nach 
Nobelpreisehr für Heinrich Böll (1972) und Günter Grass (1999) 
schließt sich endlich der Kreis großer deutscher Gegenwartsliteratur.
Respekt und Glückwunsch.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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