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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Lage in den USA: Die Uneinigen Staaten von Thomas Spang

Regensburg (ots)

Vordergründig hat die Wut der Schwarzen in Ferguson über den ungesühnten Tod des 18-jährigen Michael Brown nur wenig zu tun mit dem Aufruhr der "Tea Party"-Populisten gegen den Alleingang von Präsident Obama bei der Einwanderung. Wer ein bisschen tiefer gräbt, stößt aber schnell auf eine gemeinsame Wurzel des Unbehagens: Misstrauen in die Institutionen der Demokratie, verbunden mit einer tiefen Unzufriedenheit über die politischen Führer, die es nicht schaffen, sich aus der Selbstblockade zu befreien. Die Proteste der vergangenen Tage kehren Amerikas Seelenlage nach außen: Schwarz gegen Weiß. Reich gegen Arm. Nord gegen Süd. Stadt gegen Land. Republikaner gegen Demokraten. Die Verwerfungen in der einst für ihren notorischen Optimismus bekannten Nation brechen in ungewohnter Heftigkeit aus. Kompromissfähigkeit in dem auf Konsens angelegten System der Selbstregierung ist Mangelware geworden. Stattdessen stehen alle Zeichen auf Konfrontation. In Ferguson drückte die sich in roher Gewalt aus. Mit brennenden Häusern und Straßenschlachten zwischen krawallbereiten Randalierern und hochgerüsteten Sicherheitskräften. Subtiler, aber nicht minder folgenreich erwies sich die kalte Logik des Staatsanwalts von St. Louis, der den Todesschützen des jungen Schwarzen trickreich weißwusch. Der resultierende Freispruch verstärkte den ohnehin vorhandenen Verdacht in den Armenvierteln Amerikas, dass Recht und Gerechtigkeit wenig miteinander zu tun haben. Das Leben dunkelhäutiger Männer wird in der Polizeipraxis bis heute als Kollateralschaden hingenommen. Wenn es, wie in einem öffentlichen Park in Cleveland, ein Kind trifft, gibt es bei den verantwortlichen nicht viel mehr als ein Schulterzucken. Der Colt der Sheriffs sitzt locker. Von 410 beim FBI gemeldeten Todesschüssen der Polizei kam es 2012 nicht in einem Fall zu einer gerichtlichen Überprüfung. Weil die Bewohner besser situierter Nachbarschaften diese Erfahrung nicht teilen, fällt es ihnen schwer, das Misstrauen in anderen Teilen der Bevölkerung nachzuvollziehen. Der Preis dieser Segmentierung ist Unverständnis. Dieses Auseinanderbrechen der Lebenswelten in Amerika reflektiert sich in der politischen Frontstellung Washingtons. Zum Beispiel auch bei der Einwanderung. Weil der Präsident bis zu fünf Millionen Einwanderer ohne Papiere im Alleingang vor der Abschiebung schützt, erklärt ihm die neue republikanische Mehrheit im Kongress den Krieg. Statt über ein Gesetzespaket zur Reform der Einwanderung abstimmen zu lassen, das leicht eine Mehrheit fände, denken die neuen Herren auf dem Capitol Hill über Schikanen nach. Von aussichtslosen Prozessen bis hin zu dem Versuch, der Regierung den Geldhahn abzudrehen. Was fehlt, sind politische Führer, die den Mut und die Kraft haben, sich über einflussreiche Lobbygruppen hinwegzusetzen, die Kompromissbereitschaft mit politischem Liebesentzug abstrafen. Dass sich die von niemandem gewählten Interessensvertreter in einer so starken Position finden, hat das Land dem Verfassungsgericht zu verdanken, das die Schleusen für verdeckte Großspenden in unbegrenzter Höhe geöffnet hat. Die inneren Verwerfungen in den USA werden sich mit schönen Worten allein nicht überwinden lassen. Das geht nur über den Nachweis der Handlungsfähigkeit der Politik. Es sieht wenig danach aus, solange die gleichen Phänomene so entgegengesetzt wahrgenommen und interpretiert werden. Das Ergebnis ist eine nachhaltige Führungskrise, die aus den Vereinigten die Uneinigen Staaten von Amerika macht.

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