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WAZ: Immer weniger Vollzeitjobs in Deutschland: Fundament bricht weg - Leitartikel von Stefan Schulte

Essen (ots)

Es gibt viele Zahlen, die zu interpretieren sich
lohnt. Die Arbeitslosenzahl für Mai 2005 gehört nicht dazu. 4,8
Millionen - das sind zwar weniger als im April, saisonbereinigt aber
so viele wie zuvor. Es tut sich also nichts am Arbeitsmarkt, möchte
man folgern. Doch das wäre völlig falsch. Es tut sich eine Menge,
leider wenig zum Guten und viel zum Schlechten. Zuerst das wenige
Gute: Die Konzentration auf jüngere Arbeitslose beginnt zu wirken.
Hier geht der Rückgang über die Frühjahrsbelebung hinaus. In NRW etwa
wurde seit Februar für 25 000 Arbeitslose unter 25, also für jeden
Fünften, eine Lösung gefunden. Die schlechten Zahlen liefert das
Statistische Bundesamt mit dem Erwerbstätigen-Bestand. Der wächst
zwar seit Monaten, dies aber allein durch mehr geringfügige
Beschäftigung und Ich-AGs. Dem steht der ungebremste Abbau von
Vollzeitjobs gegenüber. Im März gab es nur noch 26,1 Millionen
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Seit Herbst 2004 sind
damit erneut eine halbe Million jener Jobs für immer verloren, mit
denen Menschen ihren Lebensunterhalt noch selbst bestreiten konnten.
Das bedeutet unmittelbar einen weiteren Rückgang der Kaufkraft.
Mittelbar bedeutet es, dass dem Sozialstaat das Fundament wegbricht.
Schon heute besteht ein Missverhältnis zwischen Beitragszahlern und -
empfängern. Es sind diese 26 Millionen, die im Wesentlichen für 20
Millionen Rentner und fünf Millionen Arbeitslose aufkommen müssen.
Die Zahl der Rentner steigt weiter. Doch wer soll künftig ihre Renten
bezahlen? Die Minijobber, Ich-AGs und Ein-Euro-Jobber sicher nicht.
Symptomatisch ist die Lage des Handwerks, das 2005 weitere 100 000
Arbeitsplätze verliert. Neben der Konjunkturkrise beklagen die
Betriebe zunehmend staatlich geförderte Konkurrenz. Die Politik
sollte diese Kritik endlich ernst nehmen. Und dem Erhalt von
Vollzeitjobs mehr Energie widmen als der Verschönerung einer
politisch überhöhten Arbeitslosenzahl.

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