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WAZ: Vor 20 Jahren kam Gorbatschow an die Macht: Der Held des Rückzugs - Leitartikel von Uwe Knüpfer
Essen (ots)
Freitag jährte sich der Anschlag von Madrid zum ersten Mal. Vor 60 Jahren ging der Zweite Weltkrieg allmählich zu Ende. Zwischendurch blicken wir auch gerne einmal auf weniger Bedeutendes zurück. Umso erstaunlicher ist es, dass sich ebenfalls am Freitag ein Ereignis zum 20. Mal ganz ohne Feierstunden jährte, von dem Historiker dereinst sagen mögen: An diesem Tag hat eine neue Zeit zu dämmern begonnen. Am 11. März 1985 wurde Michail Gorbatschow zum Generalsekretär der KPdSU gewählt. Jüngeren Lesern wird man erklären müssen, dass die Sowjetunion damals eine Supermacht war. Dass es einen Eisernen Vorhang gab, der die Welt des Westens vom Herrschaftsbereich der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken trennte. Dass dieser Vorhang mitten durch Deutschland gefallen war - in Berlin in Form einer Mauer. Dass West und Ost, NATO und Warschauer Pakt sich mit tausenden von Atomsprengköpfen bedrohten und jederzeit in der Lage waren, per Knopfdruck den Weltuntergang auszulösen. Die Sowjetunion ist Geschichte. Die Mauer ist gefallen. Kommunistische Parteien existieren außerhalb von Nordkorea allenfalls als Splittergruppen oder dem Namen nach: Das K in KP Chinas könnte heute auch für Kapitalismus stehen. Staaten des Warschauer Paktes, ja Teile der UdSSR sind Mitglieder der NATO. Deutschland ist seit 14 Jahren wiedervereinigt. Was vielleicht das Erstaun-lichste ist: diese Revolution hat sich fast unblutig vollzogen. Die Atomraketen sind in ihren Schächten geblieben. Viele, leider nicht alle, wurden verschrottet. All das hat nicht ein einzelner Mann allein bewirkt. Aber all das hätte sich nicht, nicht so schnell, nicht so friedlich ereignet, hätte nicht vor 20 Jahren Michail Gorbatschow seine Politik von Glasnost und Perestrojka begonnen. Hans Magnus Enzensberger hat Gorbatschow einen Helden des Rückzugs genannt. Größere hat die Welt noch nicht gesehen.
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