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WAZ: Merkel unangefochten Kanzlerin - Schwarz-gelbe Zeitenwende. Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Schwarz-Gelb und Angela Merkel am Ziel; man weiß
nicht so recht, ob man das so schreiben soll. Denn die Kanzlerin weiß
sehr genau, dass Schwarz-Gelb weitaus mehr bedeutet als die Ablösung 
der einen Regierung mit Unionsbeteiligung durch die andere mit ihr an
der Spitze. Schwarz-Gelb: Das läutet eine Zeitenwende ein.
Die Zeiten werden rauer. Die SPD kann ihre großkoalitionäre 
Beißhemmung aufgeben und wird das auch tun, schon um endlich wieder 
näher bei sich und ihrer Seele zu sein. Der schwarzen Kanzlerin 
stehen die Roten nicht mehr zur Verfügung, um die Gewerkschaften ins 
- wahrscheinlich unpopuläre - Regieren einzubinden. Der Druck der 
Straße wird wachsen.
In diesem Jahr muss der Finanzminister knapp 50 Milliarden Euro 
Schulden mehr machen, im nächsten Jahr noch einmal rund 100 
Milliarden. Wie sollten da Steuersenkungen möglich sein, die Union, 
vor allem aber der eigentliche Wahlsieger, die Liberalen, versprochen
haben? Wobei ein regelrechter Sozial-Abbau kaum zu erwarten ist. Da 
sind schon die Ministerpräsidenten Rüttgers und Seehofer vor. Und am 
deutschen Arbeitsmarkt geht es schon, je nach Sicht, flexibel bis 
prekär zu.
Besonders ein Christdemokrat wird sich kaum freuen über Merkels 
Erfolg: Jürgen Rüttgers. Obwohl Nordrhein-Westfalens Regierungschef 
selbst Schwarz-Gelb regiert, muss er Schwarz-Gelb in Berlin fürchten.
Ein Blut-Schweiß-Tränen-Kurs der Bundesregierung könnte die Wähler an
Rhein und Ruhr gegen Rüttgers und Pinkwart aufbringen. Jedenfalls hat
spätestens gestern Abend der Wahlkampf im größten Flächenland 
begonnen. Wobei die SPD jetzt vor der Frage steht, sich klar zu 
entscheiden. Bedeutet Rot-Rot-Grün offenzuhalten, Rot-Rot-Grün im 
Zweifel dann auch zu machen? Und muss man das dann nicht auch sagen?
Vor dieser strategischen Frage stehen die Sozialdemokraten. Sie 
haben die vergangenen elf Jahre "rechter" regiert, als sie eigentlich
sind. Nun werden sie sich, auf Kosten des pragmatischen Flügels der 
Regierungslinken, nach links hin wieder normalisieren. 
Kanzlerkandidat Steinmeier hat sich vorgenommen, diesen Kurs zu 
moderieren, auch als Parteichef nach Müntefering. Dessen Zeit ist nun
gekommen. "Münte" war nicht mehr "Münte", konnte doch nicht über 
Wasser laufen und die Taktik, Rot-Rot erst nur im Osten zu erlauben, 
dann auch im Westen, aber nur in den Ländern, und schließlich 
eventuell 2013, ist gescheitert.
Steinmeier dürfte es anders machen: in der Opposition auf die 
Linke zu gehen, darauf hoffen, dass die Partei sich von manchen 
irrlichternden Figuren vor allem im Westen trennt, um dann am Ende 
sogar so etwas wie eine Wiedervereinigung der Linken (ohne Grüne) 
anzustreben. Das jedenfalls funktioniert nur in der Opposition, dafür
braucht es als Führungsfigur eher einen rechten als einen linken 
Repräsentanten. Also gerade nicht so jemanden wie den Rot-Rot 
regierenden Berliner Bürgermeister Wowereit. Sicher wäre das riskant,
aber weniger riskant als die hilflose Wurschtelei des vergangenen 
Jahrzehnts.
Für unsere Demokratie war die jetzt auslaufende Große Koalition 
nicht schlecht, genauso wie ihr Ende dem politischen System eher gut 
tut. Jetzt kommen harte Jahre. Noch nie in der Geschichte der 
Bundesrepublik haben wir derart auf Pump gelebt. Das muss jetzt 
korrigiert werden. Es wird Jahre dauern. Die Deutschen werden sich 
einrichten müssen auf den Abbau von Steuervorteilen, auf die Erhöhung
der Erbschaftsteuer, die Einführung einer Börsen-Steuer, die Erhöhung
des halben Mehrwertsteuer-Satzes, und, für Nordrhein-Westfalen nicht 
unwichtig: das definitive Ende des Steinkohle-Bergbaus, wohl schon 
2014.
Ein in weiten Teilen irrealer Wahlkampf ist zu Ende. Es droht die
Realität.

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Telefon: 0201 / 804-6528
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