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"Berliner Morgenpost": Nur Verlierer - Leitartikel von Tobias Kisling über den Wohnungsmarkt

Berlin (ots)

Auf den ersten Blick wirken die Zahlen gar nicht so schlimm: Im vergangenen Jahr wurde der Bau von 354.400 Wohnungen genehmigt. Das ist von dem Ziel der Ampelkoalition, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, nicht so weit entfernt. Doch dieser erste Blick täuscht. Zum einen gibt es einen krachenden Abschwung, 26.300 Wohnungen weniger als noch vor einem Jahr wurden genehmigt. Damit bewegt sich das Niveau mittlerweile auf dem Stand von vor fünf Jahren. Zum anderen ist eine Baugenehmigung noch längst kein fertiges Gebäude. Insgesamt fast 850.000 Wohnungen waren Ende 2021 genehmigt, fertiggestellt sind sie aber nicht. Tendenz steigend.

Auf diesen Bauüberhang stützt sich häufig die Argumentation, wenn man sich die Misere auf dem Wohnungsmarkt schönrechnen will: Theoretisch könnte es jetzt richtig losgehen, die Genehmigungen sind da. Praktisch ist das jedoch Humbug. Bei den Baufirmen hagelte es im vergangenen Jahr Stornierungen. In die Höhe geschossene Bauzinsen, Materialengpässe und eine höhere finanzielle Belastung durch Energiekrise und Inflation lassen vor allem für Privatpersonen den Immobilienkauf unattraktiv werden.

Um fast 13 Prozent gingen im vergangenen Jahr die Genehmigungen für Privatpersonen zurück, vor allem Ein- und Zweifamilienhäuser waren stark betroffen. Der Traum vom Eigenheim ist für viele schlicht und ergreifend nicht mehr finanzierbar. Daran wird auch die geplante Wohneigentumsförderung nichts ändern. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) will damit Familien mit kleinem Geldbeutel unterstützen. Das ist zunächst einmal begrüßenswert.

In Zeiten knapper Kassen muss der Bund wegkommen von der Gießkannenmentalität, mit der er Subventionen an alle verteilt. Im Bauministerium hat man Lehren aus dem Baukindergeld gezogen. Die im März 2021 ausgelaufene Förderung war äußerst beliebt. In den Monaten mit Baukindergeld gab es ein Viertel mehr Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser als im Vergleichszeitraum ein Jahr später. Untersuchungen zum Baukindergeld zeigten damals: Das Baukindergeld wird auch von Haushalten mit niedrigeren Einkommen stark in Anspruch genommen. Insofern wäre es in normalen Zeiten konsequent gewesen, die Förderung von ehemals maximal 90.000 Euro auf ein Haushaltseinkommen von 60.000 Euro herunterzuschrauben, wie es Gey­witz nun macht. Auch ein Ende der Querfinanzierung bestens verdienender Firmen durch lasche Standards wäre angemessen.

Nur sind die Zeiten auf dem Wohnungsmarkt aktuell alles andere als normal - sowohl für potenzielle Käufer als auch für Mieter. Das Wohnungsangebot ist derart klein, dass sich Regulierungen wie die Mietpreisbremse problemlos umgehen lassen, indem immer mehr Mietverträge an die Inflation gekoppelt oder Wohnungen möbliert angeboten werden.

Besserung ist nicht in Sicht, sofern die Bundesregierung nicht kräftig an ihrer Förderstrategie schraubt. Denn nicht nur Private nehmen Abstand vom Eigenheim, auch viele Unternehmen treten auf die Bremse. Nun genießen Wohnungskonzerne oder institutionelle Anleger bei vielen Mieterinnen und Mietern zwar nicht den besten Ruf. Finanzieren sie aber keine neuen Wohnungen mehr, wird die Entspannung auf dem Mietmarkt ausfallen. Und die öffentliche Hand kann diese Lücke nicht ausgleichen. Für Mieter heißt das: Es wird teurer werden. Der Wohnungsmarkt kennt derzeit vor allem Verlierer.

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