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Hört auf die Schulen!
Kommentar von Susanne Leinemann zum Schulstart mit Corona-Stufenplan auf Gelb

Berlin (ots)

Kurzform:

Es gibt in Berlin schon jetzt Schulen, bei denen es verantwortungslos ist, am Montag mit der Stufe Gelb zu beginnen. Sie liegen in Vierteln, die sich zu Corona-Hotspots entwickelt haben. Warum also nicht auf die Schulleitungen hören? Wenn die sagen: Lasst uns in der ersten, sensiblen Schulwoche vorsichtig sein. Wir möchten hochgestuft werden, auf Orange, womöglich auf Rot. Doch in der Senatsverwaltung für Bildung gibt es für solche individuellen Lösungen kein Entgegenkommen. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) zeigt auch in dieser Woche eine sonderbare Mischung aus Phlegma und Rigorosität. Am Dienstag nach der Senatssitzung warteten alle auf ein klares Wort von ihr. Nichts passierte. Und nun: Alle auf Gelb, aber keiner darf höher gehen. Das ist kurzsichtig. Die Senatorin sollte den Schulleitungen vertrauen - und sie bestimmen lassen.

Der vollständige Leitartikel:

Die Entscheidung war überfällig. Wenn am Montag die Schule wieder beginnt, weil die Herbstferien vorbei sind, werden alle Schulen der Stadt auf Gelb hochgestuft und starten nicht bei Grün, wie ursprünglich angedacht. Man muss sich das vorstellen wie bei einer Ampel - und Gelb bedeutet im Corona-Stufenplan für Berlins Schulen eben: Achtung! Die Oberstufenschüler tragen nun Masken auch im Unterricht, im Lehrerzimmer ist dann der Mund-Nasen-Schutz verpflichtend, und insgesamt haben alle noch schärfer im Blick, dass Klassen und Lerngruppen getrennt bleiben. So soll es durch die erste Unterrichtswoche gehen, danach wird für jede Schule einzeln von Gesundheitsamt und Schulaufsicht entschieden, wie scharf die Maßnahmen vor Ort werden.

Denn anders als bei einer Ampel gibt es nicht eine, sondern zwei weitere Farben: Orange und Rot. Bei Orange trägt die gesamte Schulgemeinschaft Maske - auch im Unterricht, überall im Schulgebäude und sogar auf dem Pausenhof, wenn dort Stellen überdacht sind. Bei Rot kommt es zum "Unterricht im Alternativszenario" - ein Teil der Schüler lernt zu Hause digital, der andere vor Ort in der Schule. Danach wird getauscht.

Es gibt in Berlin schon jetzt Schulen, bei denen es verantwortungslos ist, am Montag mit der Stufe Gelb zu beginnen. Sie liegen in Vierteln, die sich zu Corona-Hotspots entwickelt haben. Dort steigen die Zahlen Tag für Tag weiter - in Neukölln, Mitte und Tempelhof-Schöneberg. Und schon jetzt ist absehbar, dass genau in diesen Bezirken die Zahl der reiserückkehrenden Schüler hoch sein wird. Manche hatten womöglich im Sommer auf eine Reise verzichtet, nun im Herbst musste sie sein. Oft Familienbesuche - im Libanon, in der Türkei, in Bulgarien, Rumänien, Bosnien Herzegowina, im Kosovo. Was die Ziele alle gemeinsam haben? Sie gelten als Risikogebiete. Warum also nicht auf die Schulen hören, auf deren Leitungen? Wenn die sich bei der Schulaufsicht, beim Bezirk, beim Gesundheitsamt, bei der Senatsverwaltung melden und sagen: Wir haben hier eine kritische Mischung, lasst uns doch gerade in der ersten, besonders sensiblen Schulwoche sehr vorsichtig sein. Wir möchten gern hochgestuft werden, auf Orange, womöglich auf Rot. Berlins Schulleitungen wissen, wovon sie reden, sie kennen ihre Schüler, wissen, wie die aufwachsen. Dort, wo das Geld knapp wird, sind die Wohnungen oft eng und ein Kindereinzelzimmer selten. Das Virus hat da leichtes Spiel.

Doch aus der Senatsverwaltung für Bildung kommt für solche individuellen Lösungen in der ersten Schulwoche kein Entgegenkommen. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) zeigt auch in dieser Woche eine sonderbare Mischung aus Phlegma und Rigorosität. Am Dienstag nach der Senatssitzung, als Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) eindringlich mahnte und der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) einen Wutausbruch angesichts der steigenden Infektionszahlen hatte, wäre eigentlich auch ihr Moment gewesen. Schüler, Eltern, Lehrkräfte - alle warteten auf ein klares Wort von ihr, wie es am Montag weitergehen soll. Der letzte große Auftritt des Senats vor Schulbeginn. Aber sie schaffte es noch nicht mal, das dringliche Thema ihren Senatskollegen anzudienen: Wir müssen reden, jetzt! Nichts passierte. Bis der Druck zu groß wurde.

Und nun hat sie entschieden: Alle auf Gelb - aber keiner darf höher gehen. Das ist kurzsichtig. Das Virus wütet in manchen Teilen Berlins besonders. Die Stufe Gelb wird es kaum aufhalten können. Die Senatorin sollte den Schulleitungen vertrauen - und sie bestimmen lassen. Wir wollen doch die "eigenverantwortliche Schule". Oder etwa nicht?

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