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Berliner Morgenpost: Koalition ohne Geldgießkanne - Leitartikel

Berlin (ots)

Man weiß nicht, wie lange das gut geht, aber ein
wenig sortiert hat die SPD sich ja wieder, zumindest personell. Zeit 
also, sich dem weniger spektakulären, aber für das Land in den 
kommenden vier Jahren deutlich relevanteren Teil des neuen Bundestags
zuzuwenden. Union und FDP haben schließlich auch ein Recht darauf, 
kritisch beäugt zu werden bei ihrer Tätigkeit.
Man sieht hier, auf der derzeit fröhlichen Seite unseres 
Parteiensystems, dass ein paar vertraute Mechanismen schon wieder 
ganz gut zu greifen beginnen. Kaum hat der Wähler sein Kreuz an der 
richtigen Stelle gemacht, da beginnen die kleinen politischen 
Schummeleien. Zum Beispiel wird steif und fest behauptet, dass 
Personalien nicht jetzt debattiert würden, sondern viel später, wenn 
die schwarz-gelben Inhalte sortiert seien.
Das entspricht so wenig der Wahrheit, wie es originell ist. Natürlich
müssen sich die, die was werden oder bleiben wollen, jetzt in 
Stellung bringen lassen. Andernfalls ist der Zug abgefahren, und Herr
oder Frau Möchtegern-Minister guckt dumm. Des Weiteren agieren einige
Akteure so, als gäbe es ganz gut was zu verteilen in den kommenden 
vier Jahren. Auch das entspricht nicht so recht den Tatsachen. Die 
schwarz-gelbe Koalition wird auf Dauer eine Konsolidierungskoalition 
sein und dabei unter anderem Antworten auf folgende Fragen finden 
müssen: Wie stopft man die in der Krise entstehenden 
Milliarden-Löcher, ohne der Wirtschaft, auf die es dabei ja auch 
ankommt, die Luft abzudrehen? Wie wollen die Damen und Herren in 
Schwarz-Gelb das finanzielle Überleben der Arbeitsagentur, der 
allgemeinen Gesundheitsversorgung, der Rentenversicherung dauerhaft 
sicherstellen angesichts der absehbaren dramatischen Einnahmeausfälle
dieser Staatspfeiler? Was soll passieren auf den weicheren 
Politikfeldern, in der Bildungs-, in der Familienpolitik? Die Zeiten,
in denen Frau von der Leyen gut gelaunt mit der Geldgießkanne durch 
die Balkonkästen der großen Koalition gezogen ist, sind vorbei. Man 
wird Erfolge nicht mehr aus der Macht der Geldspeicher schöpfen 
können, sondern richtig was tun müssen, wenigstens braucht es ein 
paar gute Ideen. Ansonsten wird es bitter für die Beteiligten.
Jürgen Rüttgers zum Beispiel trippelt schon nervös auf der Stelle. 
Der mittlerweile geerdete, einstige Zukunftsminister weiß, dass er 
sein Amt als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident im Grunde 
einer Laune der deutschen Geschichte zu verdanken hat: Im roten, 
heute womöglich auch rot-roten Nordrhein-Westfalen konnte er nur 
reüssieren, weil die Regierung Schröder gerade das Notwendige 
nachholte.
Es wird großer merkelscher Regierungskunst bedürfen oder einer im 
Grunde unverantwortlichen, kreditfinanzierten Weiter-so-Politik, um 
Rüttgers nächstes Jahr im Amt zu halten gegen ein dann an Rhein und 
Ruhr mögliches rot-rot-grünes Bündnis. Denn das dürfte spätestens 
nach Wowereits öffentlicher Kampfansage an die Agenda 2010 klar sein:
Die SPD wird für neue Wahlerfolge zur Not auch noch den eigenen 
Großvater verkaufen; den Altkanzler Schröder gäbe es umsonst dazu.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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