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Seehofers Dunkelfeld/Kommentar zu Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden

Berlin (ots)

von Sabine am Orde

Was für eine vertane Chance. Anlässlich der Vorstellung des Lageberichts zu Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden hätte der Bundesinnenminister ein Signal senden können: dass er es wirklich ernst meint mit dessen engagierter Bekämpfung. Doch was macht Horst Seehofer? Er beschwichtigt, auf dünnster Datengrundlage. Ein strukturelles Problem schließt er aus. Und betont, dass mindestens 99 Prozent der Beamt:innen auf dem Boden des Grundgesetzes stünden.

Dass dies so ist, kann man nur hoffen. Ob es stimmt, kann aber auch der Innenminister nicht wissen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat für den Lagebericht lediglich bereits bekannt gewordene Fälle zusammengetragen. Die Behörden durchleuchtet oder Beamt:innen befragt hat es nicht. Die Anzahl der registrierten Fälle aber hängt neben dem wahren Ausmaß des Problems auch vom Bewusstsein dafür in Ländern und Behörden ab -- und oft leider auch vom Zufall, wie die jüngsten Fälle in Nordrhein-Westfalen gezeigt haben. Behördenintern gemeldet wurden diese nicht.

Völlig zu Recht weist deshalb der Verfassungsschutz selbst auf das sogenannte Dunkelfeld hin. Das heißt: Im Lagebericht wird nur die Spitze des Eisbergs gezeigt, auch wenn jeder dieser Fälle besonders schwer wiegt. Schließlich üben die Beamt:innen das staatliche Gewaltmonopol aus und haben Zugang zu Waffen.

Notwendig aber wäre es, auch den Rest des Eisbergs sichtbar zu machen, also eine realistische Vorstellung davon zu bekommen, wie groß das Problem wirklich ist. Das geht nur durch aufwendige Studien von unabhängigen Wissenschaftler:innen, gegen die sich Seehofer weiterhin wehrt. Stattdessen will er eine Untersuchung zu Rassismus in der Gesellschaft in Auftrag geben, ein recht gut erforschtes Phänomen. Das muss man dann wohl als Ablenkung vom Kern des Problems bezeichnen.

Was Seehofer unterschätzt: Seine Beschwichtigungsversuche und Ablenkungsmanöver stärken das Vertrauen in die Polizei und andere Sicherheitsbehörden eben nicht. Aufklärung und entschlossenes Handeln würden dabei helfen. Also das Gegenteil von dem, was der Innenminister derzeit tut. Auch wenn er Kritiker:innen stets unterstellt, dass sie es sind, die das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden untergraben.

Pressekontakt:

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Nina Apin
Telefon: +49 30 25902 255
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