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Börsen-Zeitung: Der Aufschwung kommt, Kommentar von Claus Döring zu und den Aussichten für das kommende Jahr

Frankfurt (ots)

„Ich bin Optimist, der nichts über die Zukunft
weiß und der daher keine Voraussagen macht.“ Der Philosoph Karl R.
Popper, von dem das Zitat stammt, wäre kein guter Autor für
Jahresschlussausgaben gewesen. Denn es gehört zu den Ritualen des
Jahreswechsels, den Blick ins nächste Jahr zu werfen und eine
Prognose zu wagen. Auch in dieser Jahresschlussausgabe wird versucht,
aus der Analyse des zu Ende gehenden Jahres Trends für die
Kapitalmärkte im neuen Jahr abzuleiten (Marktchancen 2006, ab Seite
17). Der damit verbundenen Unzulänglichkeiten ist sich die Redaktion
bewusst. Wer hätte vor Jahresfrist schon den Anstieg des Dax um rund
28% oder den Regierungswechsel in Deutschland vorausgesehen? Und so
wird auch das neue Jahr wieder mit Ereignissen aufwarten, die niemand
auf der Rechnung hat.
Manches aber lässt sich voraussehen. Der Aufschwung
beispielsweise. Nicht allein, weil die Wirtschaftsforschungsinstitute
schon jetzt ihre Wachstumsberechnungen nach oben korrigieren, sondern
weil die Bürger den Aufschwung wollen. Denn der Aufschwung beginnt in
den Köpfen. Spätestens seit Ludwig Erhard wissen wir um die Bedeutung
der Psychologie für die Wirtschaft. Deshalb kann der Optimismus, den
die Meinungsforscher vom Allensbacher Institut für Demoskopie den
Bundesbürgern für 2006 bescheinigen, gar nicht hoch genug gewichtet
werden.
Der Stimmungsumschwung setzte nach der Bundestagswahl ein. Das
lässt insofern hoffen, als die Enttäuschung in der Wirtschaft über
die halbherzigen Reformansätze des Koalitionsvertrags offensichtlich
der Hoffnung der Bürger auf bessere Zeiten nicht geschadet hat. Denn
eines steht fest: Deutschland hat wieder eine politische Führung, die
diesen Namen verdient. Eine Regierung, die sich nicht mit
Effekthascherei über Wasser zu halten versucht, sondern die die
Probleme bei den öffentlichen Finanzen, in den sozialen
Sicherungssystemen und auf dem Arbeitsmarkt angehen will.
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist angetreten mit der Forderung: Lasst
uns mehr Freiheit wagen. Angela Merkel ist gewiss keine Maggie
Thatcher, und die politischen Mehrheitsverhältnisse lassen wenig
Spielraum. Doch eine Radikalkur ist auch nicht nötig.
Die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland hat sich 2005
weiter verbessert. Die rekordhohen Investitionen ausländischer
Geldgeber in Deutschland, sei es über die Börse bei den großen
Kapitalgesellschaften oder als Private Equity bei nicht notierten
Unternehmen, sind ein gutes Zeichen. Der „Umbau der Deutschland AG“
(Schwerpunkt ab Seite 41) ist nicht die Kapitulation der deutschen
Industrie vor ausländischem Kapital, wie dies die unselige
Heuschrecken-Debatte zu suggerieren suchte, sondern ein Stück
Zukunftssicherung. Und es ist allemal besser, ausländisches Kapital
für Investitionen ins Land zu holen als zur Finanzierung von Konsum.
Die großen Rationalisierungsrunden, die in den zurückliegenden
Jahren über etliche Branchen wie die Autoindustrie, die
Elektroindustrie oder die Finanzdienstleister hinwegfegten und
Hunderttausende von Arbeitsplätzen kosteten, sind vorüber. Das heißt
nicht, dass es keine Stellenkürzungen oder Werksschließungen mehr
geben wird. Ganz im Gegenteil. Um die gestärkte Wettbewerbsposition
nicht aufs Spiel zu setzen, wird es auch künftig nötig sein,
Produktivitätsgewinne zu erzielen und Kapazitäten anzupassen. Die
Globalisierung hat den Wettbewerbsdruck noch erhöht. Nur wenn
Marktentwicklungen verschlafen oder Anpassungen verzögert werden,
womöglich unter dem Druck gewerkschaftlichen Einflusses, sind später
Stellenkürzungen in großem Stil die Folge.
Die fortwährende Optimierung des Bestehenden allein sichert nicht
die Zukunft eines Unternehmens oder Landes. Nötig sind Manager wie
auch Politiker, die über die Restlaufzeit ihres Vertrages oder ihrer
Amtszeit hinausdenken, die sich einer nachhaltigen
Unternehmensführung und Politik verpflichtet fühlen. Es muss wieder
mehr investiert und geforscht werden in Deutschland. Damit der
Aufschwung kein Strohfeuer wird.
(Börsen-Zeitung, 31.12.2005)

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