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Börsen-Zeitung: Gespenstisch, Kommentar zum Bankgeheimnis von Bernd Wittkowski

Frankfurt (ots)

Die Dimension bestimmter Formen von Kriminalität
wie Geldwäsche und vor allem die Bedrohung durch den Terrorismus
zwingen dazu, die Definition des liberalen Rechtsstaates immer wieder
neu zu überdenken. Freiheit und Sicherheit sind gegeneinander
abzuwägen, und man muss dabei in unserer dramatisch veränderten Welt
zu anderen Ergebnissen kommen als etwa vor dem 11. September 2001: Im
Interesse der Sicherheit sind heute andere Beschränkungen der
Freiheit hinnehmbar bzw. wünschenswert als vor diesem einschneidenden
Datum. Als Bedrohung, die hartes Durchgreifen rechtfertigt, kann man
sich sogar die Steuerhinterziehung vorstellen, wenn ihr Ausmaß den
Rechtsstaat untergräbt und die Freiheit der ehrlichen Steuerzahler
beschneidet.
Doch mit den aus dieser Abwägung gezogenen Konsequenzen ist der
deutsche Gesetzgeber entschieden zu weit gegangen. Die fast
grenzenlose Möglichkeit zum automatisierten und heimlichen Abruf von
Kontostammdaten schränkt die Freiheitsrechte der Bürger, zu denen das
Recht auf Privatheit gehört, im Übermaß ein. Die Reichweite dieser
Einschränkungen, die nun mit zwei Verfassungsbeschwerden angegriffen
wird, ist auch durch die genannten Bedrohungen nicht hinreichend
erklär- und begründbar. Die einschlägigen Regelungen im
Kreditwesengesetz und im Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit
sind vielmehr der entscheidende Schritt in den unkontrollierten
Schnüffelstaat, in dem die Freiheit der Bürger vollends unter die
Räder kommt.
Nicht die Kontrollmöglichkeit an sich mutet gespenstisch an,
sondern die Art, wie sie ausgeübt werden kann: gleichsam
voraussetzungslos, fast von jedem Staatsdiener, ohne richterliche
oder staatsanwaltschaftliche Genehmigung, ohne (nachträgliche)
Information der betroffenen Banken und ihrer Kunden, praktisch ohne
Schutz gegen Missbrauch. Es ist bemerkenswert, wie sich Banken- und
Sparkassenverbände angesichts dieses Frontalangriffs auf die Freiheit
– auch die Freiheit ihrer Mitglieder – zurückhalten und es einer
Kreditgenossenschaft aus der münsterländischen Provinz überlassen,
dagegen vorzugehen.
Ja, der Staat soll uns vor Terroristen schützen. Er möge
Kriminalität entschlossen bekämpfen und im Interesse der ehrlichen
Bürger auch die Steuerhinterzieher verfolgen (was er bei Vorliegen
konkreter Verdachtsmomente trotz des Bankgeheimnisses seit jeher
konnte) und bestrafen. Aber er muss denen, die nichts verbrochen
haben, einen Rest von freiheitlichem Rechtsstaat lassen. Diesen Rest
stellt die Ausgestaltung des automatisierten Kontenabrufs zur
Disposition. Deshalb ist dringend zu wünschen, dass das
Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber in seine Schranken weist.
ots-Originaltext: Börsen-Zeitung

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