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Börsen-Zeitung: Allmachtsfantasie, Kommentar von Bernd Wittkowski zu Überlegungen über eine neue Struktur der Finanzaufsicht in Deutschland

Frankfurt (ots)

Der Vorstand der Bundesbank hat mit sicherem
Blick ein geöffnetes Fenster der Gelegenheit entdeckt. Union und FDP 
führen Koalitionsverhandlungen, und beide Seiten sind cum grano salis
für die Konzentration der Finanzaufsicht bei der Währungsbehörde. Da 
erscheint es opportun, die Bereitschaft zu demonstrieren, zusätzlich 
zur Zuständigkeit für die bankgeschäftlichen Prüfungen noch die 
Aufgaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) 
zu übernehmen, und den Unterhändlern der Politik gleich noch ein paar
passende Argumente zu liefern.
Und siehe da, nach neuesten Erkenntnissen der Bundesbank wäre eine
Erweiterung ihrer Aufsichtskompetenz möglich, ohne die geldpolitische
Unabhängigkeit zu gefährden. Präsident Axel Weber traut sich sogar 
zu, eine Chinese Wall in seinem Kopf zu installieren. Denn die 
bräuchte er, damit die einzelnen Rindenfelder des Großhirns 
unabhängig und ohne voneinander zu wissen verarbeiten können, welche 
Leitzinsentscheidung im Rat der Europäischen Zentralbank mit Blick 
auf die Preisstabilität einerseits zu treffen ist und wie diese sich 
andererseits einschließlich eventuell durch sie ausgelöster 
Wechselkurseffekte auf die Ertragslage der überwachten Banken 
auswirkt. Obendrein scheinen die Urheber dieses Modells an Chinese 
Walls auch im Bundesfinanzministerium zu glauben: Wenn es um 
Geldpolitik geht, wahrt die Regierung penibel die Unabhängigkeit der 
Bundesbank, während die dann erforderliche Rechts- und Fachaufsicht 
nur wahrgenommen wird, soweit die Währungsbehörde als Bankenaufsicht 
hoheitliche Befugnisse ausübt. Als eine solche Konstruktion vor zwei 
Jahren einmal im Hause Steinbrück ventiliert wurde, sprach die FDP 
übrigens noch von einem "Anschlag auf die Unabhängigkeit der 
Bundesbank".
Bei allen Fehlern, die man der BaFin wie der Bundesbank und vielen
anderen Beteiligten vorwerfen mag, gibt es keinerlei Hinweis, dass 
das duale Aufsichtssystem irgendwie "schuld" ist an Entstehung und 
Verlauf der Finanzkrise. Die Krise hat weltweit Banken und andere 
Finanzdienstleister erfasst, ohne dass eine bestimmte Korrelation mit
den nationalen Aufsichtssystemen - Notenbank plus Finanzaufsicht oder
"Single Regulator" - erkennbar wäre. Insofern gibt es folglich auch 
keinen Bedarf, die deutsche Aufsichtsstruktur zu ändern, und mithin 
keine Rechtfertigung für eine bankaufsichtliche Allmachtsfantasie der
Bundesbank.
(Börsen-Zeitung, 6.10.2009)

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