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Börsen-Zeitung: Übertriebener Optimismus, Börsenkommentar "Marktplatz" von Kai Johannsen

Frankfurt (ots)

Der Optimismus der Anleger hinsichtlich einer
schnelleren Erholung der US-Konjunktur ist vollkommen übertrieben. 
Mit der jüngsten Arbeitsmarktstatistik aus den USA dürfte das wohl 
auch dem letzten Investor klar geworden sein. Im September gingen 
jenseits des Atlantiks 263000 Stellen (außerhalb der Landwirtschaft 
verloren). Die Arbeitslosenquote liegt mit 9,8% nur noch knapp unter 
den 10%.
Viele Anleger sind nun geraume Zeit fast schon felsenfest davon 
überzeugt, dass das Schlimmste in Sachen Krise überwunden ist. 
Stimmungsindikatoren haben sich zusehends verbessert. Vor diesem 
Hintergrund waren die Experten denn auch davon ausgegangen, dass sich
der Stellenabbau in den USA deutlicher verlangsamt hat. An 180000 
verloren gegangene Arbeitsplätze hatten die Volkswirte im Mittel der 
Prognosen geglaubt. So schnell schafft eine Volkswirtschaft die 
Überwindung der Krise eben doch nicht.
Bei diesem Optimismus hatte sich zuvor schon ein enormes 
Enttäuschungspotenzial aufgebaut. Und die Skeptiker bekamen zuletzt 
immer wieder recht. Ob nun das Verbrauchervertrauen, der Index der 
Chicagoer Einkaufsmanager, die wöchentlichen Erstanträge auf 
Arbeitslosenunterstützung, der landesweite Index der Einkaufsmanager 
(ISM) - alle Daten fielen schwächer als erwartet aus. Den "krönenden"
Abschluss lieferte dann das Daten-Highlight am Freitag.
Bei einigen Credit-Händlern hatte sich seit einigen Wochen aber 
schon eine gesunde Skepsis eingestellt. Der Markt liefert 
üblicherweise frühzeitig Warnsignale. Zwar haben die Credits - also 
Unternehmensanleihen oder die Kreditderivate Credit Default Swaps 
(CDS), mit denen sich Investoren gegen die Verschlechterung der 
Bonität oder den Ausfall eines Schuldners (zum Beispiel Unternehmen) 
absichern oder eben auf ein Kreditereignis spekulieren können - in 
diesem Jahr eine beeindruckende Rally hingelegt. Aber der Markt zeigt
auch Ermüdungserscheinungen. Denn die Spread-Einengungen, d.h. 
Kursgewinne von Unternehmensanleihen, die auftraten, wenn bessere 
oder eben nicht ganz so schlechte Konjunkturdaten in den Markt kamen,
fielen längst nicht mehr so deutlich aus wie die Spread-Ausweitungen 
(Kursverluste von Corporate Bonds), die als Reaktion auf schlechter 
als erwartet ausgefallene Makrodaten zu beobachten waren. Viele 
Marktteilnehmer - so schlussfolgerten beispielsweise die 
Credit-Experten von BNP Paribas - scheinen sich nun doch auf ein 
verlangsamtes Wachstum einzustellen.
Mit Optimismus geht meist auch eine zunehmende Sorglosigkeit 
vieler Investoren einher. Auch das zeigt sich einmal mehr am 
Credit-Markt, abzulesen an einer Befragung von Credit-Investoren 
seitens der Bank of America/Merrill Lynch (BoA/ ML). Ein großes 
Risiko für Bondholder sind extrem schuldenfinanzierte Fusionen oder 
Übernahmen. 66% der Befragten sehen aber angesichts der wieder 
stärker werdenden M&A-Aktivitäten (Beispiel Kraft/Cadbury) keine 
Risiken und haben deshalb ihre Investments auch nicht angepasst. Nur 
etwas mehr als 10% der Investoren haben vor diesem Hintergrund 
beispielsweise Papiere aus Sektoren mit starken Cash-flows verkauft. 
M&A kein Risiko? Warum auf einmal nicht, dürfte sich so mancher 
Experte fragen.
Getrieben ist die Rally, gerade bei den Credits, von der 
Liquidität. Sie speist die Spread-Einengungen. Da wundert es auch 
kaum, dass gerade Credit-Fonds enorme Mittelzuflüsse verzeichnen. 
Genau darin liegt das nächste Risiko, allerdings scheint die Mehrheit
der Investoren auch diese Gefahr derzeit recht deutlich zu 
unterschätzen. "Erwarten Sie, dass angesichts der Spread-Rally die 
Zuflüsse in Credits anhalten werden?", fragte BoA/ML. 75% antworteten
mit Ja. Kein Wunder, dass die Bank ihre Credit-Studie mit "Bubble 
Trouble?" überschrieb.
Irgendwann dürfte sich auch bei den Credits eine alte Weisheit 
durchsetzen: Von Gewinnmitnahmen ist noch keiner arm geworden. Und im
spekulativen Rating-Bereich konnten schon immerhin 70% bis 80% 
verdient werden. Fragt sich nur noch, wann es soweit ist. Enttäuschen
die Unternehmen mit ihren Zahlen zum dritten Quartal oder mit einem 
düsteren Ausblick, dürfte die Zeit dafür wohl reif sein. In der neuen
Woche geht's mit der Berichtssaison los.
(Börsen-Zeitung, 3.10.2009)

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