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Börsen-Zeitung: In Weihnachtsstimmung, Börsenkommentar "Marktplatz" von Dieter Kuckelkorn

Frankfurt (ots)

Ab Mitte Oktober bricht für die Analysten stets
eine arbeitsreiche und schwierige Zeit an. Es gilt, die 
Marktprognosen für das kommende Jahr zu erstellen und sie dem eigenen
Vorstand, den Kunden und dann auch der Öffentlichkeit zu 
präsentieren. Diesmal sollte es den Experten besonders schwer fallen,
die Entwicklung der Märkte vorauszusagen. Die Finanz- und 
Wirtschaftskrise wütet rund um den Globus. Die Aktienkurse sinken so 
rasch, dass die Marktbeobachter kaum noch mit der Anpassung ihrer 
Kursziele hinterherkommen. Und so manchen Analysten mag auch ein 
schlechtes Gewissen plagen, schließlich lagen die meisten Banken vor 
einem Jahr mit ihren Vorhersagen für 2008 meilenweit daneben. Gemäß 
einer Ende vergangenen Jahres bei 25 Häusern durchgeführten Umfrage 
der Börsen-Zeitung müsste der Dax Ende Dezember, also in knapp sechs 
Wochen, bei 8132 Punkten stehen. In der Realität sieht die Lage etwas
anders aus, der deutsche Leitindex hält sich nur mit größter Mühe 
oberhalb von 4000 Punkten.
Trotz der enormen Unwägbarkeiten zeichnet sich bei vielen 
Analysten ein gemeinsames Thema ab, wenn sie die Fragen der bangenden
Anleger und Kunden sowie der skeptischen Journalisten beantworten: 
Ja, es ist nicht auszuschließen, dass die Krise noch schlimmer wird. 
Aber nein, den Aktienmärkten droht daraus kein oder kaum neues 
Ungemach, weil im Grunde alles längst in den Märkten eingepreist ist.
Dies scheint sich freilich an den Börsen noch nicht so recht 
herumgesprochen zu haben: In der gerade beendeten Handelswoche 
krachte der Dax um mehr als 12% herunter, der US-Benchmark-Index 
S&P500 sogar um fast 14%.
Für den Optimismus der Analysten gibt es plausible Gründe. Keine 
Rolle dürfte dabei spielen, dass - wie böswillige Zeitgenossen 
gelegentlich kolportieren-von den Vorstandsetagen ein gewisser Druck 
auf die Analysten hinsichtlich des Tenors ihrer Prognosen ausgeht. 
Stattdessen darf man annehmen, dass die Analysten bereits in 
festlicher Weihnachtsstimmung sind, die einfach keinen Raum für allzu
schlechte Nachrichten lässt. Sucht man nach den Ursachen für die 
anhaltenden Kursverluste, so fallen gleich mehrere Faktoren ins 
Gewicht. So gibt es nach wie vor Hiobsbotschaften aus dem 
Bankensektor. Damit hat die Hoffnung, dass die Verluste verarbeitet 
sind und nun allmählich Ruhe einkehrt, getrogen. Inzwischen zeichnet 
sich ab, dass mehr oder weniger die gesamte Aktivseite der 
Bankbilanzen von der Krise erfasst ist. Es geraten offensichtlich 
immer neue Assetklassen, in denen Banken engagiert sind, in 
Schwierigkeiten: Hinsichtlich der Gefahren aufgrund von faulen 
Kreditkartenforderungen hat die Bank of America jüngst gewarnt. Zudem
soll es bei gewerblichen US-Immobilien erste Schieflagen geben.
Rapide verschlechtert haben sich auch die konjunkturellen 
Aussichten, was die Konsens-Gewinnschätzungen der Analysten für die 
Unternehmen im S&P500 und auch im Dax immer noch nicht hinreichend 
widerspiegeln. So wird für das kommende Jahr gemäß der 
Konsensschätzung ein Anstieg der Gewinne im S&P500 von 14% erwartet -
angesichts der schwersten Rezession seit dem Ende des Zweiten 
Weltkriegs ist dies unrealistisch. Dass der Markt darauf sensibel 
reagiert, ist kaum verwunderlich.
Hinzu kommen weitere Faktoren wie der anhaltende Abverkauf der 
Hedgefonds. Auch hier ist es unrealistisch, von einem baldigen Ende 
auszugehen. Gemäß den Schätzungen von Branchenkennern dürften die 
Assets under Management von Hedgefonds im ersten Quartal um 600 Mrd. 
Dollar schrumpfen. Gegenüber den 100 Mrd. Dollar im Oktober dürfte 
sich das Tempo des Niedergangs der Hedgefondsbranche also eher noch 
beschleunigen - mit entsprechenden Folgen für die Märkte.
Dass der Dax kurzfristig die Marke von 4000 Punkten durchbricht, 
zeichnet sich klar ab. Interessanter ist die Frage, ob er auch noch 
unter 3000 Punkte rutscht. Da das Ausmaß der Krise und der Rezession 
kaum vernünftig auszuloten ist, werden sich die Anleger bis weit ins 
nächste Jahr hinein mit Käufen zurückhalten.
(Börsen-Zeitung, 22.11.2008)

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