Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)
Russland: Menschenrechtler kritisieren Einführung von Feiertagen für Indigene Völker als „blanken Hohn“
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) kritisiert die Einführung des Tags der Indigenen Völker und des Tags der indigenen Sprachen in Russland als gezielte Strategie des Kremls, um die systematische Unterdrückung indigener Gemeinschaften zu verschleiern und Kritiker ruhigzustellen. „Angesichts der prekären Lage der Indigenen Völker in der Russländischen Föderation ist dies blanker Hohn“, kritisiert Sarah Reinke, Leiterin der Menschenrechtsarbeit der GfbV.
Seit Jahrzehnten werden indigene Aktivistinnen und Aktivisten systematisch verfolgt und aus dem Land gedrängt. Alle unabhängigen Organisationen, die sich für indigene Belange einsetzten, wurden von der russischen Regierung verboten oder als „extremistisch“ eingestuft. „Ein Engagement für indigene Rechte, Landrechte und das Recht auf vorherige, freie und informierte Zustimmung ist in Russland nicht mehr möglich und wenn, dann nur unter höchstem persönlichem Risiko“, betont Reinke.
Indigene Vertreter aus Russland kommentierten den Schritt von Wladimir Putin gegenüber der Menschenrechtsorganisation als „widerwärtige Propaganda“, die sich an die Indigenen in Russland richte. Putin wolle sie einlullen und zeigen, dass er sich um sie kümmere. „Wir sollen uns weiter für Putin und seinen Krieg opfern, während die rohstoffreichen Gebiete dadurch völlig von indigenen Völkern ‚gesäubert‘ werden.“ Für die teils sehr kleinen indigenen Gemeinschaften stelle der Dienst in der russischen Armee eine existenzielle Bedrohung dar. „Überdurchschnittlich viele Angehörige Indigener Völker fallen als Soldaten der russischen Armee in der Ukraine“, erklärt Reinke.
„Die Einführung der Feiertage dient dazu, die indigene Bewegung und den Teil der Opposition, der von den großen nicht-russischen Nationalitäten getragen wird, zu spalten“, so die Menschenrechtlerin. Während man letzteren Separatismus vorwerfe und sie damit kriminalisiere, sollen die zahlenmäßig kleinen Völker des Nordens, Sibiriens und des Fernen Ostens mit dieser Politik von Zuckerbrot und Peitsche weiter ruhig gehalten werden.
Neben Russisch, der offiziellen Amtssprache, werden in Russland über 120 weitere Sprachen aus elf Sprachfamilien gesprochen. „Ein Großteil dieser Sprachen ist stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Selbst Sprachen mit mehreren zehntausend Sprechern werden vom Russischen und anderen größeren Sprachen verdrängt. Jahrhunderte der Russifizierung, der Diskriminierung und Ausgrenzung Indigener Völker haben zu einem großen Sprachensterben und damit zum Verlust von Kultur und Identität geführt“, mahnt Reinke.
Die Einführung eines Feiertages der indigenen Sprachen sei perfide. „Russland präsentiert sich international, beispielsweise bei den Vereinten Nationen, als Unterstützer Indigener Völker, während es gleichzeitig unabhängige Aktivisten bedroht und indigene Sprachen auslöscht“, warnt Reinke.
Sie erreichen Sarah Reinke unter s.reinke@gfbv.de oder 0551/49906-13.
Für Gespräche steht auch Tjan Zaotschnaja, ehrenamtliche Koordinatorin der GfbV zu Indigenen Völkern in Russland und Vorsitzende des International Committee of Indigenous Peoples of Russia (ICIPR), zur Verfügung. Sollten Sie Interesse an einem Gespräch haben, wenden Sie sich bitte ebenfalls an Sarah Reinke.
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