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Russische Twitter-Kampagne ohne Einfluss auf Stimmen bei US-Wahl 2016

TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN

PRESSEMITTEILUNG

Desinformation auf überzeugte Republikaner konzentriert

Russische Twitter-Kampagne ohne Einfluss auf Stimmen bei US-Wahl 2016

• Keine Polarisierung durch russische Tweets feststellbar

• Bürger:innen bekamen weit mehr Tweets von heimischen Medien

• Andere Teile von Russlands Kampagne können Wirkung auf die Wahl gehabt haben

Die russische Kampagne auf Twitter während des Wahlkampfs zur US-Präsidentschaftswahl 2016 hat vor allem eine kleine Gruppe an Nutzer:innen erreicht, überwiegend stark überzeugte Anhänger:innen der Republikaner. Die Studie eines internationalen Forschungsteams zeigt auch, dass es keine messbaren Änderungen in den Einstellungen oder im Wahlverhalten der Nutzer:innen gab, die den Beeinflussungsversuchen ausgesetzt waren.

Frühere Studien und Regierungsuntersuchungen sind zu dem Schluss gekommen, dass sich Russland 2016 über die sozialen Medien in den Wahlkampf der US-Präsidentschaftswahl eingemischt hat, um die Stimmabgaben zugunsten des republikanischen Kandidaten Donald Trump zu beeinflussen.

Ein Forschungsteam der New York University (NYU), der Technischen Universität München (TUM), der Universität Kopenhagen und des Trinity College Dublin hat nun Daten aus Twitter-Accounts aus dem Zeitraum von März bis November 2016 ausgewertet. Rund 1.500 US-Bürger:innen hatten dem zu Forschungszwecken zugestimmt. Im April und Oktober sowie kurz nach der Wahl im November 2016 hatten sie bereits Fragen zu ihren politischen Ansichten und zu ihrem Wahlverhalten beantwortet. Die Zusammensetzung der Befragten war nahezu repräsentativ für die US-amerikanischen Wahlberechtigten.

Die Forscher analysierten, wie oft die Twitter-Accounts der Befragten von Tweets erreicht wurden, die von Accounts stammten, die laut Twitter der Internet Research Agency zugeordnet werden können. Frühere Untersuchungen hatten gezeigt, dass die Internet Research Agency eine Organisation ist, die eng mit der russischen Regierung verbunden ist.

Republikaner:innen neunmal so oft erreicht wie Demokrat:innen

Die Studie zeigt, dass nur ein kleiner Teil der Bürger:innen den Beeinflussungsversuchen ausgesetzt war: 70 Prozent der in den Accounts festgestellten russischen Tweets konzentrierten sich auf ein Prozent der Nutzer:innen. Überzeugte Republikaner:innen wurden ungefähr neunmal so oft von den Tweets erreicht wie Demokrat:innen oder Partei-ungebundene Bürger:innen.

Das Forschungsteam stellte zudem fest, dass die Bürger:innen ihre Haltungen und ihr Wahlverhalten nicht änderten, wenn sie von der russischen Kampagne erreicht wurden. Auch einen Zusammenhang mit einer Polarisierung, also dass die Befragten extremere Ansichten zu bestimmten Politikfeldern wie etwa der Migrationspolitik eingenommen hatten, stellte die Studie nicht fest.

„Weite Verbreitung muss nicht wirksame Veränderung bedeuten“

„Fast alle bisherigen Untersuchungen haben sich auf die Frage konzentriert, ob staatlich gelenkte Tweets weit verbreitet sind. Aber selbst eine weite Verbreitung muss nicht bedeuten, dass solche Tweets die Einstellung oder das Wahlverhalten der Bürger:innen wirksam verändern", sagt Jan Zilinsky, PhD, Forscher am Lehrstuhl für Digital Governance der Technischen Universität München und Autor der Studie, die in „Nature Communications“ erschienen ist.

„Trotz der massiven Bemühungen, den Präsidentschaftswahlkampf in den sozialen Medien zu beeinflussen und der weitverbreiteten Annahme, dass diese Einmischung eine Wirkung auf die US-Wahl 2016 hatte, war die mögliche Einwirkung durch russische Trolle tatsächlich stark auf einen kleinen Teil der amerikanischen Wählerschaft konzentriert“, ergänzt Studienautor Prof. Joshua Tucker, Co-Direktor des Center for Social Media and Politics der NYU.

Bürger:innen bekamen weit mehr Tweets von US-Medien

Die Studie zeigt auch, dass die Twitter-Nutzer:innen weit mehr Inhalte von heimischen Medien und Politiker:innen erreichten als von den Accounts der Internet Research Agency. Im Durchschnitt bekamen die Befragten im Oktober 2016 vier Tweets aus Russland pro Tag, aber 106 Tweets von US-Nachrichtenmedien und 35 Tweets von US-Politiker:innen.

„Twitter-Nutzer:innen erhielten also 25 mal mehr Tweets von nationalen Medien und neunmal mehr Tweets von heimischen Politiker:innen als von russisch beeinflussten Accounts – ganz abgesehen von dem, was sie aus anderen Medien wie Fernsehen oder Onlinenachrichten über die Wahl erfahren haben“, sagt TUM-Forscher Jan Zilinsky.

„Weiterhin Fragen zur Legitimität der Trump-Präsidentschaft“

Trotz dieser Ergebnisse halten es die Forscher für möglich, dass die russischen Versuche, das Wahlergebnis zu beeinflussen, Wirkungen gezeigt haben könnten. „Es wäre ein Fehler anzunehmen, dass andere Teile der russischen Kampagne keinen Einfluss auf das Wahlergebnis oder das Vertrauen in die Integrität der Wahl hatten, nur weil die Kampagne auf Twitter die individuellen Ansichten nicht geprägt hat“, sagt Studienautor Prof. Gregory Eady von der Universität Kopenhagen. Prof. Tom Paskhalis vom Trinity College Dublin ergänzt: „Die Debatte über die US-Wahl 2016 wirft weiterhin Fragen zur Legitimität der Trump-Präsidentschaft auf und schürt Misstrauen in das Wahlsystem, was Einfluss darauf haben kann, dass Amerikaner:innen 2020 und bei künftigen Wahlen Behauptungen zu Wahlbetrug glauben.“

Publikation:

Eady, G., Paskhalis, T., Zilinsky, J. et al. Exposure to the Russian Internet Research Agency foreign influence campaign on Twitter in the 2016 US election and its relationship to attitudes and voting behavior. Nat Commun 14, 62 (2023). DOI: 10.1038/s41467-022-35576-9

https://doi.org/10.1038/s41467-022-35576-9

Weitere Informationen:

Jan Zilinsky forscht an der TUM School of Social Sciences and Technology und der Hochschule für Politik München an der TUM. Die korrespondierenden Einrichtungen forschen zur Wechselwirkung von Politik und Technologie, um den gesellschaftlich-politischen Wandel durch die rasante technologische Entwicklung zu verstehen.

https://www.sot.tum.de/

Wissenschaftlicher Ansprechpartner:

Jan Zilinsky, PhD

Technische Universität München (TUM)

Lehrstuhl für Digital Governance

Tel.: +49 89 907793 383

jan.zilinsky@tum.de

https://www.hfp.tum.de/digitalgovernance

Aufgrund eines USA-Aufenthalts ist Jan Zilinsky am 16. und 17. 1. während der Tageszeit der Eastern Standard Time Zone per Mail erreichbar und kann Interviewtermine vereinbaren. Jan Zilinsky ist englischsprachig.

Ansprechpartner im TUM Corporate Communications Center:

Klaus Becker

Pressereferent

Tel.: +49 89 289 22798

klaus.becker@tum.de

www.tum.de

Die Technische Universität München (TUM) ist mit mehr als 600 Professorinnen und Professoren, 50.000 Studierenden sowie 11.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine der forschungsstärksten Technischen Universitäten Europas. Ihre Schwerpunkte sind die Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften und Medizin, verknüpft mit den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Die TUM handelt als unternehmerische Universität, die Talente fördert und Mehrwert für die Gesellschaft schafft. Dabei profitiert sie von starken Partnern in Wissenschaft und Wirtschaft. Weltweit ist sie mit dem Campus TUM Asia in Singapur sowie Verbindungsbüros in Brüssel, Mumbai, Peking, San Francisco und São Paulo vertreten. An der TUM haben Nobelpreisträger und Erfinder wie Rudolf Diesel, Carl von Linde und Rudolf Mößbauer geforscht. 2006, 2012 und 2019 wurde sie als Exzellenzuniversität ausgezeichnet. In internationalen Rankings gehört sie regelmäßig zu den besten Universitäten Deutschlands.

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