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Ende der Krise oder Krise ohne Ende: Europa und die Migration

Ende der Krise oder Krise ohne Ende: Europa und die Migration
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Beim Thema Migration gibt es für die EU viele Baustellen. Obwohl in den vergangenen Monaten weniger Migranten in Europa ankommen, ist das Problem nicht gelöst. Dazu kommt: Der politische Wind auf dem Kontinent hat sich gedreht. Vielerorts geben die Sicherheitspolitiker den Ton an. Mauern werden hochgezogen, Fluchtrouten verlagern sich. Und denen, die helfen wollen, kommt Schweigen oder Hass entgegen.

Die Ausgangslage

Die stärkere Zusammenarbeit insbesondere zwischen Italien und dem Bürgerkriegsland Libyen hatte schon in der zweiten Jahreshälfte 2017 zu einem starken Rückgang der Ankünfte in Europa geführt. Der Trend verstärkte sich 2018: Kamen 2017 laut der Internationalen Organisation für Migration der Vereinten Nationen (IOM) mehr als 186 700 Migranten in Europa an, waren es 2018 nur noch gut 144 000.

Diese Grafik visualisiert die Zahl der Asylsuchenden in den Ländern der EU: http://dpaq.de/51giK

Die Wende im Mittelmeer

Minus 80 Prozent: So viel weniger Migranten kamen 2018 über die zentrale Mittelmeerroute zwischen Libyen und Italien nach Europa. Seit in Italien im Juni 2018 eine neue Regierung und mit ihr der rechte Innenminister Matteo Salvini an die Macht kam, fährt Rom eine rigorose Antiflüchtlingspolitik. Das zeigt Wirkung - es haben sich aber auch zusätzliche Migrationsrouten etabliert. Spanien hat Italien in Europa als Hauptziel von Migranten abgelöst, gefolgt von Griechenland. Spanien erreichen die Menschen von Marokko oder Algerien aus. Die Straße von Gibraltar zwischen Marokko und Spanien ist an ihrer engsten Stelle nur 14 Kilometer breit.

Die Krise

Die Zeiten der Krise sind vorbei. Das betont EU-Ratschef Donald Tusk bei jeder Gelegenheit - auch um den ohnehin erstarkten Populisten das Feld nicht zu überlassen. Die Zahlen geben ihm Recht, erreichten sie IOM-Schätzungen zufolge 2018 so niedrige Werte wie seit 2013 nicht. Am politischen Willen für eine Lösung mangelt es jedoch. 2018 befand sich die EU in Sachen Migration fast dauerhaft im Krisenmodus und kam auch bei der Reform der Dublin-Verordnung kein Stück voran. Vor allem die Alleingänge Italiens stellten die Staatengemeinschaft vor vollendete Tatsachen.

Die geschlossenen Häfen

Schlagzeilen machten nach dem Amtsantritt der populistischen Regierung in Italien nicht verzweifelte Menschen auf überfüllten Schlauchbooten, sondern Hunderte festsitzende Migranten - auf Rettungsschiffen auf dem offenen Meer oder im Hafen. Innenminister Salvini sandte klare Signale: An die Partner der "unfähigen und schädlichen" EU, von denen Rom Solidarität fordert. Oder an die von ihm oft als Schlepper-Helfer bezeichneten Hilfsorganisationen, für deren Schiffe er die Häfen des Landes schloss. Das Schweigen der anderen Staaten zeigt, wie sehr sich die Stimmung gegen die zivilen Retter gedreht hat. Ja zur Rettung hört man zwar nach wie vor - allerdings auch keinen Einspruch dagegen, dass sich Italien weitgehend aus der Koordinierung der Seenotrettung zurückgezogen und an die Libyer übergeben hat. Und das, obwohl die Lage in dem Bürgerkriegsland weiterhin unübersichtlich ist - und die Situation in den Migrantenlagern desaströs.

Die Toten

Die Flucht über das Mittelmeer ist für Migranten gefährlicher geworden. 2018 kamen bei der Überfahrt laut UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Genf im Durchschnitt sechs Menschen am Tag ums Leben. Im Jahr davor waren es mehr als acht Menschen pro Tag, allerdings waren die Flüchtlingszahlen insgesamt deutlich höher. Das UNHCR erklärt die hohe Todesrate mit der geringen Präsenz von zivilen Rettungsschiffen vor der libyschen Küste.

Die "Lösungen"

Gegen die wohl konkreteste Vorstellung der EU, wie Migration von Afrika aus eingedämmt werden kann, haben sich Tunesien, Marokko und Algerien erfolgreich zur Wehr gesetzt. Brüssel will mit Ägypten einen Dialog über sogenannte Anlandezentren nach internationalem Standard führen, in die im Mittelmeer gerettete Migranten gebracht werden sollen. Doch das Land lehnt die Zentren ebenso ab wie die Maghreb-Staaten. Der Präsident des autoritären Staats, Abdel Fattah al-Sisi, könnte seinen Landsleuten nur schwer vermitteln, warum Gerettete in ihrer Heimat besser leben sollen als Teile der Bevölkerung.

Die Rückkehr der Retter

Die zivilen Seenotretter sind vor allem durch die Abschottungspolitik der italienischen Regierung stark unter Druck geraten, ihre Missionen weitgehend zum Erliegen gekommen. Schiffe wie die "Sea-Watch 3" oder "Lifeline" wurden im Laufe des Jahres 2018 von den Behörden etwa auf Malta festgesetzt, andere wie die "Aquarius" von Ärzte ohne Grenzen und SOS Méditerranée verloren ihre Flagge. Doch nun wollen die Hilfsorganisationen Sea Watch aus Deutschland und Proactiva Open Arms mit dem italienischen Projekt Mediterranea wieder dauerhaft vor der libyschen Küste präsent sein. Dass wieder Menschen zu Tausenden gerettet werden, daran glaubt in Europa so gut wie niemand. Die Krise besteht weiter - nun eben an den Grenzen Europas.

[Hinweis: Das angebotene Bildmaterial steht nur für die redaktionelle Verwendung im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung und dem Credit "Foto: dpa" zur Verfügung.]

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