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Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Debatte über das Wahlrecht Überflüssiges Lamento CARSTEN HEIL

Bielefeld (ots)

Kaum sind die Stimmen der Wähler nach der Bundestagswahl ausgezählt, erhebt sich das Lamento der Experten. Politologen, Verfassungsrechtler, Wahlbeobachter stellen erschrocken fest: 15,7 Prozent der Stimmen, knapp sieben Millionen, sind ohne eine Wirkung abgegeben worden, weil sie auf Parteien entfallen, die die Fünf-Prozent-Hürde nicht geschafft haben. Logische Forderung diese Experten ist, dass die Hürde weg muss oder zumindest gesenkt gehört. Andere diskutieren - weil die Koalitionsbildung gerade so schwierig ist - darüber, ob nicht besser gleich das Mehrheitswahlrecht nach angelsächsischem Vorbild eingeführt werden sollte. Diese beiden Vorschläge weisen in entgegengesetzte Richtungen. Dabei ist das deutsche Wahlrecht mit einer Kombination aus Mehrheits- und länderorientiertem Verhältniswahlrecht, abgesichert durch die jetzt viel kritisierte Fünf-Prozent-Hürde, das Beste überhaupt. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht für Europawahlen jüngst die Höhe der Hürde auf drei Prozent gesenkt hat, bleibt die Fünf-Prozent-Schwelle für Berlin doch richtig. Der Bundestag hat weitreichendere Befugnisse als Straßburg. Und so wichtig anstrengende Koalitionsverhandlungen auch sind, was sollen Parteien mit Einzelinteressen wie die AfD oder die Piraten, oder wer da immer kommen mag, in einer Koalition? Niemand muss mit Weimar argumentieren, weil das historisch schief ist, aber selbst viele Wähler der AfD oder der Piraten wollen ihre Favoriten gar nicht in der Regierung sehen, sondern mit ihrer Stimme nur ihren Protest gegen etablierte Parteien ausdrücken. Zudem sind Wahlen immer Momentaufnahmen. Vor eineinhalb Jahren diskutierte das Land darüber, ob es bald mit den Piraten einen Sechs-Parteien-Bundestag geben wird. Heute sind nur noch vier Fraktionen im hohen Hause. Deshalb das Wahlrecht ändern? Richtig ist freilich, dass die Regierungsbildung schwierig ist. In diesen Tagen besonders. Und schlecht für die Demokratie wäre eine große Koalition aus Union und SPD grundsätzlich. Dann hätten die Regierungsfraktionen 503 Sitze, die Opposition nur 127. Selbst Minderheitenrechte müssten von der Mehrheit "großzügig" eingeräumt werden. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, Normenkontrollklagen beim Bundesverfassungsgericht - mit denen die Verträglichkeit eines Gesetzes mit einem bereits geltenden höherrangigen überprüft wird - , Redezeiten im Parlament und Ausschussvorsitze wären für die Kleinen problematisch. Da auch der Bundesrat von Schwarz-Rot bestimmt ist, wäre ein Durchregieren, wie Angela Merkel es sich schon lange wünscht, möglich. Das ist bedenklich. Aber keine Folge des Wahlrechts, sondern der Entscheidung der Wähler. Zudem: Beim Mehrheitswahlrecht wie in den USA oder England fielen noch mehr Stimmen unter den Tisch als bei dieser Wahl. Deutschland braucht kein Lamento über ein neues Wahlrecht, sondern verantwortliche Politiker, die über eine stabile Regierung verhandeln.

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