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Schule im Krisenbetrieb Das bayerische Kabinett holt weitere Klassen in den Unterricht zurück. Eine Routine wird aber auf lange Sicht nicht mehr einkehren. Von Isolde Stöcker-Gietl

Regensburg (ots)

Wochenlang manövrierte das Kultusministerium wie ein Fahranfänger durch die Krise - stets bemüht, kein Tempolimit zu überschreiten und keine rote Ampel zu überfahren. Das war sicherlich für Bayern, wo es besonders viele Corona-Infektionen gab, eine kluge Taktik. Nun hat das bayerische Kabinett nach Wochen des Homeschoolings die Schulöffnungen für alle Klassen angekündigt. Die Nachricht war erhofft, von vielen Eltern regelrecht herbeigesehnt worden: Endlich gibt es einen zeitlichen Horizont. Doch Vieles bleibt nebulös. Das muss sich jetzt rasch ändern: So, wie ein Fahranfänger irgendwann seine zurückhaltende Fahrweise ablegen muss, um sicher am Steuer zu werden, so muss nun auch das Kultusministerium Mut haben und Konzepte für den Schulbetrieb vorlegen, die dem Bildungsauftrag ebenso gerecht werden wie der Minimierung des Ansteckungsrisikos. Alle Schüler müssen zurück, die Frage ist nur wie? Die Familien warten bereits ungeduldig auf Antworten. Denn wenn die vergangenen Wochen etwas vermitteln konnten, dann die Erkenntnis, dass der Unterricht in einem Klassenzimmer und umgeben von den Mitschülern die digitale Beschulung nicht ersetzen kann. Das lag - das muss ausdrücklich betont werden -, nicht an den Lehrern, die sich größtenteils mit vielen Ideen vom virtuellen Sporttraining bis hin zur Klassenvideokonferenz vieles haben einfallen lassen, um die Distanz zu überbrücken und Stoff zu vermitteln. Dennoch haben sich die familiären Belastungen über die Wochen immer weiter verstärkt. Die Lust der Eltern am Homeschooling sank parallel zur Motivationskurve der Schüler. Nun übernehmen zum Glück wieder die Fachkräfte. Unter erschwerten Bedingungen. Denn Abstand halten bleibt die größte Herausforderung. Bei 30 und mehr Schülern in einem Klassenzimmer sind 1,5 Meter zum Banknachbarn nicht herstellbar. Werden die Klassen halbiert, fehlt es nicht nur an den Räumlichkeiten, sondern auch an Lehrern. Deshalb bleibt eigentlich nur ein Schichtmodell. Aber wie soll es den Lehrern durch den ständigen Wechsel gelingen, die Lücken, die bei den Schülern sehr individuell sein werden, rasch aufzufüllen? Schon rein rechnerisch ist das nicht zu schaffen. Es bleiben nur sechs Wochen, die unter den Schülern aufgeteilt werden müssen. Ungefähr 30 Stunden Deutsch, Mathe und Fremdsprachen, vielleicht noch ein paar Nebenfächer. Dann ist auch schon Zeugnistag - sofern es dabei bleibt, dass die Sommerferien nicht angetastet werden. Mehr als ein Warm-up für das kommende Schuljahr können die nächsten Wochen nicht sein. Aber wie ein Fahranfänger braucht auch das Kultusministerium jetzt Fahrpraxis. Denn die Corona-Krise ist im September nicht ausgestanden. Die strengen Abstandsregeln und damit ein andauernder Unterricht im Schichtbetrieb werden weiter gelten, eine neue Infektionswelle könnte auch wieder Schulschließungen nach sich ziehen. Und viele weitere Fragen drängen sich auf. Wie starten die Erstklässler in den Schulbetrieb, wie bewältigen die Übertrittsklassen den Wechsel an weiterführende Schulen und wie werden die Kinder aus bildungsfernen Familien nicht abgehängt? Wie können überhaupt Lehrpläne eingehalten werden, wenn weiterhin weniger Schule in der Schule stattfindet? Rote Ampeln hier, Geschwindigkeitsbegrenzungen dort - die Sicherheit beim Steuern durch die Corona-Krise verlangt dem Kultusministerium enorme Konzentration ab. Schule wird auf lange Sicht nicht mehr normal ablaufen. Die Erleichterung, die die Eltern gerade verspüren, wird rasch verflogen sein. Auf manche Antworten werden sie noch länger warten müssen.

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