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Mittelbayerische Zeitung: Obama nutzt die Chance

Regensburg (ots)

Von Thomas Spang

Die Europa-Reise Barack Obamas konnte kaum besser terminiert sein. Unvorhergesehen folgte sie nur wenige Tage auf die Invasion Russlands in die Ukraine und gab dem US-Präsidenten Gelegenheit, Führungsstärke im westlichen Bündnis zu demonstrieren. Obama nutzte die Chance. Dank Wladimir Putins militärischem Abenteuer auf der Krim-Halbinsel schaffte er zu überbrücken, was bis dahin nach einer wachsenden Kluft zwischen Europa und den Vereinigten Staaten aussah. Über Nacht vergessen schien das Gezänk um die Bespitzelung der NSA und das Gezerre um den Investorenschutz bei dem angestrebten Freihandelsabkommen TTIP. Während in Europa leidenschaftlich über das "Fracking" gerungen wird, kommen die so erschlossenen Reserven in Nordamerika plötzlich als willkommene Alternative zur Abhängigkeit von russischen Erdgas- und Öllieferungen daher. Wie bei einem alten Ehepaar, das durch die schwere Erkrankung eines Partners plötzlich daran erinnert wird, was es zusammenhält, hat der Krim-Schock die Bedeutung des transatlantischen Bündnisses überdeutlich werden lassen. Die Worthülsen der Feiertagsreden über die Wertegemeinschaft verwandelten sich angesichts der russischen Aggression zur selbstredenden Gewissheit. Die meisten Europäer verstanden intuitiv, was Obama meinte, als er davor warnte, die Errungenschaften der liberalen Demokratie für selbstverständlich zu nehmen. Putin demonstrierte in den vergangenen Monaten trotz aller Propaganda um das Asyl für Edward Snowden und die Olympischen Winterspiele in Sotschi, wie das Gegenteil aussieht. Der russische Präsident ist der autokratische Herrscher einer Macht, die Demokratie nicht als Stärke, sondern als Gefahr betrachtet. Erst ließ er die Mitglieder der kritischen Frauen-Rocktruppe "Pussy Riot" wegsperren. Dann diskriminierte der Kreml Homosexuelle. International profilierten sich die Russen als Spielverderber. Allen voran in Syrien, wo sie skrupellos den Schlächter von Damaskus schützen. Schade eigentlich. Denn Obama hatte Russland zu Beginn seiner Amtszeit die Hand ausgestreckt und gehofft, einen Neuanfang hinzubekommen. Weil dieser scheiterte, muss sich der Präsident in den USA bittere Kritik seiner republikanischen Gegenspieler über den misslungenen "Reset" gefallen lassen. Tatsächlich lautet die Alternative zum Säbelrasseln, Zusammenrücken und Helfen. Genau dieses Signal ging von Obamas Rede in Brüssel, aber auch von seinen Pressekonferenzen und vielen bilateralen Treffen am Rande aus. In Europa präsentierte sich kein Kraftmeier, sondern ein kühl kalkulierender Stratege, der Putin Grenzen setzte und die Partner herausforderte, selber Verantwortung zu übernehmen. Zu Recht erinnerte der US-Präsident, dass alle Mitgliedsstaaten der Nato in der Pflicht stehen, ihren Teil zur Sicherheit beizutragen. Damit legte er die Finger in die offene Wunde des westlichen Bündnisses. Washington mag vom Mars und Brüssel von der Venus sein. Unbestritten dürften sich die Europäer aber mehr bedroht fühlen, wenn der russische Bär die Pranken ausfährt. Deshalb sollten sie eigentlich auch das größere Interesse haben, sich dagegen zu schützen. Obama machte in der Ukraine-Krise keine Versprechen, die es Europa erlauben, sich hinter dem großen Bruder zu verstecken. Vielmehr stellte er seine Erwartungen an die Verbündeten klar. Die USA werden ihre Außenpolitik nicht grundlegend neu ausrichten, sondern setzen auf die Freunde auf dieser Seite des Atlantiks. Die Frage nach der Rückkehr des Präsidenten in Washington bleibt, ob die europäischen Nato-Partner bereit sind, sich dieser Herausforderung zu stellen.

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