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Mittelbayerische Zeitung: Bei Temelin-Kritik schaltet Tschechien auf taub Prag verweist auf sichere Kernkrafttechnik - ganz wie deutsche Regierungsvertreter vor Fukushima. Leitartikel von Christine Schröpf

Regensburg (ots)

In Tschechien verpuffen bayerische Bedenken gegen den Ausbau des grenznahen Atommeilers Temelin. Ministerpräsident Horst Seehofer hat zwei Mal seine Standpunkte und die Sorgen der Bürger im Freistaat in Prag vorgetragen. Der frühere Umweltminister Markus Söder hat einen dicken Fragenkatalog abgegeben. Diese Woche ist der Umweltausschuss des Landtags vor Ort. Doch außer höflichen Worten und dem Versprechen auf eine Anhörung der Kernkraftgegner bei einem Termin in Deutschland gibt es von offizieller Seite nichts. Das liegt nicht daran, dass die Tschechen ein unfreundliches Völkchen wären. In Energiefragen prallen aber zwei völlig entgegengesetzte Positionen aufeinander. Und seien wir ehrlich: Vor der Katastrophe im japanischen Fukushima hätten potenzielle Isar-1-Gegner aus Tschechien von den Regierenden in Bayern auch nicht mehr als milde Nachsicht kassiert. Den lange vor uns sehr kernkraftkritischen Österreichern ist es bekanntlich so ergangen. In Tschechien hat sich fatalerweise die Meinung festgesetzt, dass die Deutschen in Energiefragen nicht mehr ernst zu nehmen sind. Die Kehrtwende nach der japanischen Atomkatastrophe gilt als Kurzschlussreaktion. Vor allem da Schwarz-Gelb erst kurz davor die Laufzeiten von Atommeilern verlängert hatte. Eine zentrale Frage bleibt: Warum hat Fukushima in Tschechien so gar nichts an der Einschätzung zur Atomkraft verändert? Warum setzt man in Regierung wie Opposition und weiten Teilen der Bevölkerung weiter auf Kernkraft und verweist darauf, dass Erdbeben und Tsunamis im eigenen Land nicht zu erwarten sind? Wo doch die Lehre aus Fukushima eine andere ist: Es können Gefahrenkonstellationen unterschiedlicher Art auftreten, die man zuvor für unvorstellbar hielt. Es ist ein Bündel von Gründen, das die Tschechen an Atommeilern festhalten lässt: Erstens gibt es eine tief verwurzelte Technikgläubigkeit. Atomkraft gilt zweitens im Land der vielen Kohlekraftwerke als "umweltschonende" Lösung der Energieversorgung. Drittens ist die eigene Energieautarkie von hohem Wert. Gerade von den Russen möchte man auf keinen Fall abhängig sein. Viertens fürchtet man Folgen für die Wirtschaft: Auf Finsternis und Arbeitslosigkeit wird das plakativ verknappt. In einem Land mit einem Durchschnittseinkommen von unter 1000 Euro ein schlagendes Argument. Korrektive gibt es kaum. Die Grünen spielen eine marginale Rolle. Schlechte Erfahrungen mit der Fotovoltaik - Großanlagen verschandeln die Landschaft - haben zudem die Lust auf erneuerbare Energien dezimiert. Das heißt nicht, dass Tschechien auf ewig Atomstaat bleiben will. Schon jetzt erweisen sich hohe Kosten als wichtigste Bremse. Von zuletzt zehn und mehr geplanten neuen Kraftwerksblöcken sind nur mehr zwei für Temelin ernsthaft im Gespräch. Das Energiewende-Land Bayern kann mit erhobenem Zeigefinger jedenfalls kein Umdenken in Gang setzen. Auf nichts reagieren die stolzen Tschechen allergischer - und haben da viel mit den stolzen Bürgern im Freistaat gemeinsam. Nicht Worte, sondern Taten zählen, damit die Tschechen bei Atomkraftkritik nicht mehr auf taub schalten. Wenn in Bayern die Energiewende gelingt, ohne dass die Wirtschaft erlahmt, steigt auch Tschechien mit ins Boot. Bisher steht dieser Beweis aus. Stattdessen klagen die Tschechen, dass sie schon jetzt die ersten Folgen der deutschen Energiewende ausbaden müssen. Regenerativer Strom aus dem Norden Deutschlands wird zu Spitzenzeiten wegen zu geringer deutscher Netzkapazitäten über Tschechien in den Süden geleitet. Die Gefahr eines Blackouts droht, heißt es. Sympathien weckt das nicht - vor allem weil Deutschland diese Sorgen aus Sicht der Tschechen nicht wirklich ernst nimmt.

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