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Mittelbayerische Zeitung: Gefährliche Distanz Leitartikel zur Islam-Debatte

Regensburg (ots)

Es ist bedauerlich, dass eine Veranstaltung wie das "Regensburger Gespräch zur Religion in der Gesellschaft" von der Debatte über die Integration der Muslime in Deutschland dominiert wird. Schließlich hat Religion, hat Glaube in vielen gesellschaftlichen Fragen eine immer noch große Bedeutung - vielleicht sogar eine zunehmende. Dennoch ist die drängendste Frage, vor der Deutschland in den kommenden Jahren steht, die des Verhältnisses zum Islam. Die unsägliche Sarrazin-Debatte hat besser als alles andere gezeigt, wie groß die Vorurteile in unserer Gesellschaft nach wie vor sind. Kein Wunder also, wenn viele Muslime in Deutschland nicht gut auf den neuen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich zu sprechen sind. Wer sich nach dem Auftritt des CSU-Ministers beim Regensburger Gespräch unter den Muslimen umhörte, bekam wenig Gutes zu hören. Der Groll nach den Äußerungen, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, und dem Werben um eine Sicherheitspartnerschaft von Muslimen mit deutschen Sicherheitsbehörden sitzt tief. Es gibt offenbar bereits Überlegungen seitens der muslimischen Verbände, bei der Bundeskanzlerin und beim Bundespräsidenten darum zu bitten, die Islamkonferenz - das Herzstück der offiziellen Integrationsbemühungen - in andere Hände als die Friedrichs zu legen, sollte der weiterhin mit provokanten Aussagen Schlagzeilen machen. Zu sehr fühlen sich die Teilnehmer ausgrenzt durch die Betonung "christlich-abendländischer Werte" seitens des Innenministers und seiner Partei. "Schäuble hat uns anders behandelt", sagt einer. Das ist sicher richtig, denn Schäuble ist zwar Unionspolitiker, aber kein CSU-Mann wie Friedrich. Der "Neue" im Innenministerium hat gleich zum Start Duftmarken gesetzt, die der Linie seiner Partei entsprechen: Klares Bekenntnis zu besagter christlich-abendländischen Kultur, harte Hand gegenüber unerwünschter Zuwanderung. Friedrich hat schnell klar gemacht, was er will und wofür er steht. Im Interesse seines eigenen Profils ist das allemal. In dem seiner Partei sowieso. Für die CSU ist es wichtig, vielleicht sogar überlebenswichtig geworden, klare Kante zu zeigen. Deutschland rückt nach links und in Zeiten, in denen die Abkehr von der Atomkraft plötzlich auch Markenkern der CSU ist, tut ein klar wertkonservatives Bekenntnis der konservativen Seele gut. Ob die an der Wahlurne dann den Ausschlag geben wird, muss sich erst noch zeigen. Nur: Angesichts drängender gesellschaftspolitischer Fragen wie demografischer Wandel oder Fachkräftemangel einen alten Konflikt - den um das Verhältnis zum Islam - neu zu schüren, ist brandgefährlich. Ein Scheitern der Islamkonferenz würde ein fatales Zeichen senden: dass unsere Gesellschaft kulturelle und religiöse Gräben in letzter Instanz eben doch nicht überwinden kann. Zwar steht die Islamkonferenz noch nicht wirklich auf der Kippe. Und die Teilnehmer wären auch gut beraten, es gar nicht so weit kommen zu lassen. Die muslimischen Verbände sind hier ebenso gefordert wie der Innenminister als Leiter der Konferenz. Friedrich hat gestern zumindest versucht, der Debatte ihre überhitze Emotionalität zu nehmen, indem er vermied, seine umstrittenen Aussagen zu wiederholen. Das ist ein wichtiges Zeichen. Die Distanz zwischen dem CSU-Mann und den muslimischen Vertretern ist aber dadurch kaum kleiner geworden, weil das Misstrauen in die Beziehungen Einzug gehalten hat. Es abzubauen muss für Friedrich dringlichste Aufgabe der kommenden Monate sein.

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