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Aachener Nachrichten: Zeit der Falken - Die Nato fordert höhere Militärausgaben; Ein Kommentar von Joachim Zinsen

Aachen (ots)

Wir im Westen sind zu weich, zu naiv, unsere Gesellschaft ist von pazifistischen Ideen durchsetzt. Deshalb kann uns ein aggressiver Hasardeur wie Wladimir Putin auf der Nase herumtanzen. Wir müssen endlich wieder in der Lage sein, klare Kante zu zeigen. So oder ähnlich klingt es landauf und landab. Seit die Ukraine-Krise zu einem neuen West-Ost-Konflikt eskaliert ist, segeln politische Falken im Aufwind. Auch im Westen. Zum Verbalradikalismus neigende Hardliner wie der Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen klagen über mangelnden Wehrwillen und fordern von den Mitgliedsstaaten der Allianz deutlich höhere Militärausgaben. Ähnliche Töne sind prompt auch von Kommentatoren deutscher Leitmedien zu hören. Geht es nach Rasmussen, sollen künftig alle Nato-Staaten mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung ausgeben. Deutschland müsste demnach seinen Wehretat jährlich um 23 Milliarden Euro aufstocken. Eine Wahnsinnssumme. Die Rüstungsindustrie hat die Champagner-Flaschen bereits kaltgestellt. Wie immer werden solche Forderungen natürlich mit Statistiken unterfüttert. Rasmussen betont gerne, dass in den west- und mitteleuropäischen Staaten die Wehretats 2013 geschrumpft sind, während Russland seinen erhöht hat. Es bezieht sich dabei auf Erhebungen des schwedischen Rüstungsforschungsinstituts Sipri. Andere Zahlen der weltweit anerkannten Experten verschweigen Rasmussen und seine Hintersassen allerdings geflissentlich. Laut Sipri lag Moskaus Wehretat im vergangenen Jahr bei geschätzten 87,8 Milliarden Dollar. Großbritannien, Frankreich und Deutschland gaben hingegen für ihr Militär insgesamt rund 168 Milliarden Dollar aus. Die USA sogar 640 Milliarden Dollar. Allein diese vier Nato-Staaten hatten also 2013 einen neunfach höheren Verteidigungshaushalt als die Russen. Wie passt das in Rasmussens Erzählung vom schlappen Westen und vom hochgerüsteten Russland? Nein, das Problem der Nato ist ein anderes. Seit zwei Jahrzehnten steckt das Bündnis in einer Sinnkrise. Nach Ende des Kalten Krieges gab es keinen Feind mehr. Putin kommt jetzt wie gerufen, um diese Lücke zu füllen, um der Allianz und dem Militärischen wieder eine größere politische Bedeutung zu verschaffen. Ja, der Kreml-Chef greift nach der Ostukraine. Über Gründe und Ursachen des Konflikts lässt sich sicherlich streiten. Aber Putin bedroht kein Nato-Land. Die Ängste vor Russland in den baltischen Staaten und in Polen sind natürlich historisch erklärbar. Aber nichts deutet darauf hin, dass Moskau irgendetwas gegen sie im Schilde führt. Bauen wir also keine wilden Bedrohungsszenarien auf, hören wir auf mit dem Säbel zu rasseln, verweigern wir uns einem neuen Rüstungswettlauf. Statt sich der irren Logik des Militärischen zu unterwerfen, muss der Westen weiter auf Diplomatie setzen. Nur so lässt sich die Ukraine-Krise entschärfen. Das ist ein mühsames Geschäft. Aber der andere Weg endet für Europa schnell in einer Katastrophe.

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