Alle Storys
Folgen
Keine Story von Westdeutsche Allgemeine Zeitung mehr verpassen.

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

WAZ: Seehofer und die (Doppel-) Moral: Was politisch ist und was privat - Leitartikel von Ulrich Reitz

Essen (ots)

Eigentlich ist die Sache klar: Politik ist Politik,
privat ist privat. Basta. Horst Seehofer ist ein sehr beliebter 
Politiker, wesentlich beliebter jedenfalls als Edmund Stoiber, und so
werden sehr viele Menschen mit Seehofer Mitleid haben und Stoiber für
den Bösewicht erklären. Denn schließlich: Was hat es mit Seehofers 
politischen Ansichten zu tun, mit wem er abends ins Bett steigt? Aber
so einfach ist die Angelegenheit dann doch nicht.
Denn Seehofer hat, wie viele Spitzenpolitiker, die Grenze 
zwischen Politik und Privatsphäre absichtsvoll selbst verschoben. 
Seehofer hat Journalisten eingeladen zu sich nach Hause, hat Fotos 
und Filme machen lassen von sich, seiner Frau und seinen Kindern, 
kurzum: Seehofer hat alles dafür getan, um sein eigenes Image zu 
produzieren. Und genau das ist die Währung eines Spitzenpolitikers: 
das Bild, was die Bevölkerung von ihm hat. Ein Mann wie Seehofer wird
weniger für das gewählt, was er tut (das ist in der Regel kaum zu 
durchschauen), sondern für das, was er verkörpert. Und Seehofer 
verkörpert(e?) den soliden Sozialkatholiken, den bodenständigen 
Menschen: eine ehrliche Haut eben.
Und nun stellt sich heraus, dass sein Privatleben in eklatantem 
Widerspruch steht zu seinen Aussagen über die Bedeutung seiner 
Familie für ihn und seine persönliche wie politische Stabilität. 
Sagen wir es unangenehm ungeschminkt: Seehofer hat uns eine 
Scheinwelt vorgespielt, um seine Wahlchancen zu erhöhen, um Minister 
bleiben oder Parteichef werden zu können. Deshalb wird er Schaden 
erleiden, möglicherweise sogar irreparabel beschädigt sein, je 
nachdem, ob noch weitere unangenehme Details ans Licht kommen oder 
einer der Beteiligten anfängt, in der Öffentlichkeit schmutzige 
Wäsche zu waschen. Einem Beckenbauer ("der liebe Gott freut sich über
jedes Kind") verzeiht das Volk einen Seitensprung. Aber Beckenbauer 
wollte auch nicht Vorsitzender einer christkatholischen Partei im 
konservativen Bayern werden.
Selbstredend ist Stoibers Heuchelei so unerträglich wie die des 
anderen Spitzenpersonals in der CSU. Natürlich ist die Vorstellung 
empörend, er könnte damit auch noch durchkommen. Was wäre das für 
eine Partei, die ein solches entwürdigendes Verhalten auch noch 
prämieren würde? Deshalb: Schaden nehmen nun alle: Seehofer, Stoiber,
die CSU, der Rest der Parteipolitik. Wobei man jenen Politikern 
misstrauen sollte, die jetzt moralingetränkt Privatsphäre für sich 
reklamieren. Das wird erst glaubhaft, wenn sie sich von ihrem eigenen
Exhibitionismus verabschieden.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Thomas Kloß
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de

Original-Content von: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Weitere Storys: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
  • 16.01.2007 – 19:49

    WAZ: Der neue Umweltbericht: Unsexy - Kommentar von Jürgen Polzin

    Essen (ots) - Der Welt geht's schlecht. Das ist leider die normale Botschaft, wenn irgendwo auf dieser Welt ein neuer Umweltbericht vorgestellt wird. Damit kann man - auch das ist schade - kaum noch Menschen hinter dem Ofen hervorlocken. Im Gegenteil. Wer täglich mit der Klimakatastrophe, dem größten Artensterben nach den Dinosauriern und den leer gefischten ...

  • 15.01.2007 – 19:42

    WAZ: Machtkampf in der CSU: Was die Menschen abstößt - Kommentar von Angela Gareis

    Essen (ots) - Wenn bayerische Kinder sich im Fasching als Edmund Stoiber kostümieren, dann hat dessen ärgster Widersacher sein Werk vollendet: das politische Ansehen des CSU-Vorsitzenden und Ministerpräsidenten zu minimieren. Der Widersacher heißt Edmund Stoiber. Selten musste die Republik beobachten, wie ein Politiker sich bei einer beachtlichen ...

  • 15.01.2007 – 19:40

    WAZ: Deutsche Autos und das CO2: Abgehängt - Kommentar von Jürgen Polzin

    Essen (ots) - Das tut weh: die ruhmreiche Zunft deutscher Autobauer als Bremsklotz technologischer Innovation. Als Schlafmützen Europas, die das Kunststück schaffen, nach dem Debakel beim Diesel-Rußfilter auch im Klimaschutz und Spritverbrauch von der Konkurrenz abgehängt zu werden. Das sind schlimme Kratzer im hochglanzpolierten Image deutscher Wertarbeit. ...